In diesem Buchbericht über das Buch "Tonio Kröger" von Thomas Mann habe ich mich zunächst mit dem Inhalt der Erzählung vom ersten bis einschließlich dem achten Kapitel befasst. Danach spreche ich den Lebenslauf von Thomas Mann an und gehe auf einige Einzelheiten seines Lebens ein, um danach Parabeln zwischen dem Autor und der Hauptperson ziehen zu können.
Die Erzählung Tonio Kröger
beschreibt einige Lebensphasen eines jungen Mannes, ab seinem
vierzehnten Lebensjahr. Tonio ist der Sohn eines Konsuls, also
aus sehr angesehenem Haus. Seine Mutter ist aus dem Süden
und heißt Consuelo Kröger. Tonio achtet seinen Vater
und empfindet sehr starke Gefühle für seine Mutter.
Diese hat ein feuriges Temperament und liebt ihren Sohn mit all
seinen Fehlern und Mängeln. Tonio ist nicht sehr beliebt
bei den Lehrern und bringt auch keine guten Noten nach Hause.
Er ist ein sehr empfindsamer Mensch. Seine Lieblingsgewohnheiten
sind Geige spielen, träumen von schönen Stellen der
Natur und das Dichten von Reimversen. Konsul Kröger ist sehr
verärgert über die schlechten Leistungen, die sein Sohn
in der Schule erbringt. Für seine Mutter dagegen sind die
schulischen Leistungen nur eine Nebensache und sie liebt ihren
Sohn, so wie er ist.
Tonio ist sehr gerne mit seinem Freund und Klassenkameraden Hans
Hansen zusammen, der ebenfalls aus einem angesehenen Haus stammt.
Hans ist allein schon vom Aussehen her das Gegenteil von Tonio
und er geht auch anderen Beschäftigungen, wie zum Beispiel
dem Reiten, nach. Er ist sehr gut in der Schule und wird von jedem,
auch von den Lehrern, hoch angesehen. Tonio empfindet für
Hans ein sehr starkes Liebesgefühl. Tonio geht sehr gerne
mit Hans spazieren und in ihm kommt eine Art Traurigkeit hoch,
wenn sie dann von einem anderen Klassenkameraden, wie Erwin Jimmerthal,
dem Sohn eines Bankdirektors, in ihren Unterhaltungen gestört
werden. Hans ist auch gerne mit Tonio zusammen unterwegs, aber
er sieht dies eben als normale Freundschaft an und versteht Tonio
auch öfters nicht.
Ab Tonios sechzehnten Lebensjahr ist er in Ingeborg Holm, die
Tochter von Doktor Holm, verliebt. Inge erwidert seine Liebe aber
nicht. Tonio empfindet für Inge mehr und anders als für
Hans Hansen. Obwohl er sich aus Tanzstunden nichts macht, besucht
er sogar diese, um in ihrer Nähe sein zu können, aber
auch dadurch erzielt er keine Erfolge. Magdalena Vermehren dagegen,
die Tochter des Rechtsanwaltes Vermehren, bewundert seine Gedichte
und ihn selbst. Sie ist im Gegensatz zu der schönen blonden
Inge eher ein tollpatschiges Mädchen. Magdalena tanzt gerne
mit Tonio und ist sehr gerne in seiner Nähe, was ihn nicht
umstimmen kann und was er auch keineswegs erwidert.
Tonios weiterer Lebensweg führt ihn nach einigen traurigen
familiären Veränderungen auf Reisen. Seine Großmutter
und sein Vater sterben kurz nacheinander, und als seine Mutter
mit ihrem neuen Ehemann, einem Italiener, das Land verlässt,
hält auch ihn nichts mehr in der vertrauten Umgebung. Tonio
schreibt noch immer Gedichte und weiß noch nicht genau,
was er werden will. Auf seinen Reisen, die ihn durch Komik und
Elend führen, lernt er die Höhen und
Tiefen des Lebens noch
genauer kennen. Im Süden lässt sich Tonio nieder
und führt dort ein planloses Leben, welches ihn selbst nicht
gefällt. Er bekommt die Macht der Einsamkeit zu spüren,
und er fühlt, dass sein Herz ohne Liebe ist. Diesen
Mangel glaubt er von seinem Vater zu haben, weil dieser auch ein,
in seinen Augen, kalter Mensch war. Sein anstrengend sinnloses
und ausschweifendes Leben schwächt seine Gesundheit, wodurch
er sich einen neuen künstlerischen Stil aneignet. Tonio wird
wählerischer und reizbarer gegen das Einfache. Durch diesen
neuen Stil wird er bekannt.
Als Tonio etwas älter als dreißig ist, hat er feste
Freundschaften zu anderen Künstlern und Künstlerinnen,
wie zum Beispiel zu Lisaweta Iwanowna. Mit dieser unterhält
er sich sehr ernsthaft über das (sein) Dasein als Künstler.
Er vergleicht sich sowohl mit anderen Künstlern als auch
mit anderen Bürgern und kommt zu dem Schluss, dass er sich seiner Ansicht nach noch nie unter den Menschen einordnen
konnte. Zum Schluss seiner langen Erklärungen, erwidert
ihm Lisaweta, dass er einfach nur ein Bürger auf Irrwegen
sei, was ihm einen tiefen Schlag versetzt. Einige Monate später
entschließt sich Tonio wieder zu reisen, und zwar nach Dänemark.
Er teilt Lisaweta mit, dass er über seinen Heimatort
nach Dänemark reist, um dort wieder altvertraute Klänge
zu hören (z.B. den Namen "Ingeborg")
Als er auf seiner Reise in seinem Heimatort ankommt, stellt er
fest, dass sich sehr viel verändert hat und ihm fremd
geworden ist. Bereits am nächsten Tag setzt er seine Reise
nach Kopenhagen fort. In Kopenhagen hält er sich drei Tage
lang auf, um allerlei zu besichtigen. Dann fährt Tonio in
Richtung Helsingör und dort angekommen, treibt es ihn zu
einem entlegenem Hotel, wo er sich zunächst eine Zeitlang
niederlassen will. Tonio Kröger verbringt die meiste Zeit
draußen in der Natur. Eines Tages kommt eine große
Gesellschaft zum Feiern in das Hotel, und unter dieser befinden
sich Hans Hansen und Ingeborg Holm. Tonio beobachtet am Abend,
von einem stillen Winkel aus die Gesellschaft beim Tanz und vor
allem beobachtet er Hans und Inge. Er empfindet die gleichen Gefühle
wie damals und wird von beiden nicht wiedererkannt. Danach schläft
er in Gedanken an diese beiden ein.
Tonio Kröger schreibt Lisaweta
einen Brief, in dem er ihr zunächst sagt, dass er bald
wieder in den Süden zurückkommen wird. Der weitere Inhalt
des Briefes beschreibt Tonios Gefühle, die er während
seines Lebens gehabt hat. All diese Gefühle, die der Leser
teilweise schon längst vermittelt bekommen hat, fasst Tonio nun in diesem Brief an Lisaweta zusammen.
Er geht nochmals auf die Frage ein, ob er nun Bürger oder
Künstler sei. Die Bürger haben ihn verhaftet, als sie
ihn bei seinem Besuch in seinem Heimatort für einen Hochstapler
hielten und die Künstler (Isaweta selbst) sagen ihm, dass er nur ein Bürger auf Irrwegen sei. Tonio selbst weiß
aber immer noch nicht genau, wo er sich einordnen soll und ob
er dies überhaupt tun soll.
Er beschreibt Isaweta auch seine Eltern, die dem Leser schon längst
bekannt sind. Die beiden unterschiedlichen Charaktere gaben ihm
eine breite Spanne an Entwicklungsmöglichkeiten und aus ihm
wurde "ein Bürger, der sich in die Kunst verirrte, ein
Künstler mit schlechtem gewissen" heraus.
Interessant ist auch noch das Verhältnis zu den Blonden und
Blauäugigen, das in seinem gesamten Leben immer wieder eine
Rolle spielt. Zu Beginn ist es Hans Hansen, ein blonder und blauäugiger
Junge, für den Tonio ganz besondere Empfindungen hat. Danach
ist es Ingeborg Holm, die von ihm geliebt wird, und die ebenfalls
blond und blauäugig ist. Auch am Ende der Erzählung
trifft er wieder auf diese beiden, die er auch während seines
ganzen Lebens nie vergessen hat. In seinem Brief nimmt er mit
diesem Satz Stellung dazu: "Aber meine tiefste und verstohlenste
Liebe gehört den Blonden und Blauäugigen, den hellen
Lebendigen, den Glücklichen, Liebenswürdigen und Gewöhnlichen".
Diese Empfindungen gegenüber den so aussehenden Menschen
kann ich mir hauptsächlich daraus erklären, dass er mit seinem eher südländischem Aussehen im Norden
schon immer auffällig war. Tonio selbst war ja als Kind auch
immer in sich verschlossen und wurde von den den Menschen, in
seinen Augen, nie richtig geliebt und nie richtig verstanden,
was er sicher auch auf sein Aussehen bezogen hat. Er sah, wie
leicht es Hans Hansen und Inge hatten und zog daraus seine Schlüsse.
Er hasst diese Menschen aber nicht, sondern empfindet eher
eine Liebe zu ihnen und ein wenig Neid. Andererseits ist Tonio
aber auch glücklich, dass er nicht genau wie alle anderen
ist und dadurch sein Weg durch das Leben manchmal schwerer zu
gehen ist, was im letzten Satz der Erzählung nochmals deutlich
wird. "Sehnsucht ist darin und schwermütiger Neid und
ein klein wenig Verachtung und eine ganze keusche Seligkeit."
(Zitate aus dem neunten Kapitel der Erzählung "Tonio
Kröger")
Thomas Mann wurde 1875 in Lübeck
geboren und wohnte seit 1894 in München. 1933 verließ
er Deutschland und lebte zuerst in der Schweiz am Zürichsee,
dann in den Vereinigten Staaten, wo er 1938 eine Professur an
der Universität Princeton annahm. Später hatte er seinen
Wohnsitz in Kalifornien, danach wieder in der Schweiz. Er starb
in Zürich am 12. August 1955.
Als ich eine Biographie über das Leben von Thomas Mann gelesen
habe, ist mir aufgefallen, dass zwischen seinem Leben und
dem von Tonio Kröger sehr viele Parallelen existieren.
Thomas Mann ist, ebenso wie Tonio Kröger, Sohn eines angesehenen
Vaters im Norden des Landes, und seine Mutter kommt aus dem Süden.
Seine schulischen Leistungen waren sehr schlecht. Thomas` Einstellung
zur Schule lässt sich sehr deutlich aus diesem Zitat
entnehmen: "Ich habe eine dunkle und schimpfliche Vergangenheit...
Erstens bin ich ein verkommener Gymnasiast, nicht, dass ich
durch das Abiturientenexam gefallen wäre - es wäre Aufschneiderei,
wollte ich das behaupten. Sondern ich bin überhaupt nicht
bis zur Prima gelangt; ich war schon in der Sekunda alt wie der
Westerwald. Faul, verstockt und voll Liederlichen Hohns über
das Ganze, verhasst bei den Lehrern der altehrwürdigen
Anstalt.....". Diese Einstellung ist auch ohne weiteres bei
Tonio festzustellen.
Der Vater von Thomas Mann stirbt bereits, als Thomas erst fünfzehn
Jahre alt ist, und er verlässt dann ähnlich wie
Tonio, allerdings mit seiner Mutter, die Stadt.
Thomas beschreibt bereits schon in frühen Jahren novellistische
Arbeiten und als diese bekannter werden, entschließt er
sich Autor zu werden. Kurz darauf zieht es ihn in den Süden,
wo er dann nordische Texte schreibt ( einen nordischen Familienroman
).
Es lassen sich beim Betrachten seiner Biographie und der Erzählung
über Tonio Kröger noch mehr solche Ähnlichkeiten
finden und ich denke der Sinn dieser ist, dass Thomas seine
Gefühle und sein Denken darstellen wollte. Er war schon immer
einer, der sich über viele Dinge Gedanken gemacht hat und
der auch zugegeben hat, dass er andere Interessen, wie zum
Beispiel das Beobachten der Natur, hat. Thomas Mann zeigt mit
Tonio Kröger, gerade in der damaligen Zeit, einen Menschen,
der nicht nur mit dem Strom schwimmen kann, sondern auch zu seinem
eigenen Denken steht, wie er es selbst auch getan hat.
Die Erzählung " Tonio
Kröger " ist in neun Kapitel unterteilt. In den ersten
beiden Kapiteln wird der Leser hauptsächlich mit den Gefühlen
Tonios und dessen Umgebung vertraut gemacht. Der Leser weiß
immer genau, wie alt Tonio ist und wo er sich aufhält. In
diesen beiden Kapiteln geht es vorrangig um Gewohnheiten und Handlungen
von Tonio.
Die Kapitel drei bis einschließlich dem achten Kapitel beschreiben
den weiteren Lebenslauf von Tonio. Der Leser weiß oft nicht
genau, wie alt Tonio ist und wo er sich aufhält. Tonios Gedanken
werden dem Leser offenbart und dadurch kann man sich ein ganzes
Bild von Tonio machen. Der Erzähler ist allwissend. Er ist
nicht nur ein Beobachter, sondern er ist auch in der Hauptperson
selbst drinnen, er erzählt die Geschichte aber nicht aus
der " Ich- Perspektive ".
Das neunte Kapitel ist wesentlich kürzer als die anderen
acht und beschreibt, wie in Gesichtspunkten drei bereits von mir
erwähnt, einen Brief an eine Freundin von Tonio.
Mit der Erzählung "
Tonio Kröger " von Thomas Mann, hatte ich persönlich
nicht sonderlich viel Freude. Der Text ist zwar leicht zu lesen
und auch nicht außergewöhnlich lang, aber ich stimmte
mit dem Charakter der Hauptperson überhaupt nicht überein.
Ich finde es zwar gut, dass Tonio sich in seinen Gedanken
nicht mit allem abfindet, was üblich ist oder als "
normal " gilt, aber mich stört es, dass er dann
immer nur klein beigibt. Tonio kämpft nicht darum seinen
Willen durchzusetzen, ja er zweifelt sogar eher noch an sich selbst.
Diese Einstellung steht im extremen Gegensatz zu meinem persönlichen
Charakter. Ich stehe zu meiner Meinung und zu Dingen, die ich
sehr gerne tue, auch wenn ich dann häufig auf verzerrte Gesichter
oder Gegenstimmen treffe. Weil ich mich gerne einsetze und auch
mal " ungewöhnlichen " Dingen auf den Grund gehe,
haben auch schon einige aus ihrer Verschlossenheit gefunden. Tonio
Kröger dagegen verlässt die Heimatstadt, als sein
Unmut zu groß wird, er unterhält sich nicht weiter
mit Hans, wenn ein zweiter hinzukommt und er zweifelt sogar daran,
ob er Künstler oder Bürger ist. Dies soll jetzt nicht
den Eindruck machen, dass ich mit Menschen, die nicht meinem
Charakter entsprechen, nicht auskomme. Ganz im Gegenteil, ich
bin sehr gerne mit anderen ganz unterschiedlichen Menschen zusammen.
Dies macht mir sehr großen Spaß und am meisten Freude
bringt es mir, wenn ein verschlossener Mensch aus seiner Zurückgezogenheit
heraustritt und sich dann auch durchsetzen und in der Gesellschaft
einbringen will. Bei Tonio Kröger ist eher noch ein Schritt
zurück erkennbar und dies hat mich verwundert. Als am Anfang
seine Freundschaft zu Hans geschildert wird, dachte ich eigentlich, dass der junge Mann zu dem steht, was er will, aber dies
war dann nicht der Fall.
Bewusst ist mir natürlich auch, dass es nicht immer
so leicht wie heute war, sich persönlich einzubringen und
gegen den Strom zu schwimmen, und auch ich überspiele manchmal
meine Gedanken und Probleme, aber ein bisschen mehr Selbstbewusstsein hätte Tonio nicht geschadet.