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Unsortierte
Übersetzungen

11.
Indes plagte zunächst in höherem Grade als
die Habsucht der Ehrgeiz die Herzen der Menschen, ein Fehler, der doch
wertvoller Art noch näher steht. Denn Ruhm, Ehre, herrschende Stellung
wünschen sich der Tüchtige und der Untaugliche in gleicher Weise; aber der
erste strebt dahin auf dem richtigen Pfade; weil dem letzten die tüchtigen
Gaben fehlen, sucht er mit List und Betrug dahinzugelangen. Die Habsucht eifert
nach Geld, wonach es noch keinen Weisen gelüstet hat; wie mit bösen Giften
getränkt, macht sie den Sinn des Mannes weibisch, ist immer ohne Maß und
unersättlich, und weder durch Fülle noch durch Mangel wird sie gemindert.
Nachdem aber Lucius Sulla mit Waffengewalt den Staat an sich gerissen hatte und
nach guten Anfängen ein schlimmes Ende gezeitigt hatte, da rafften alle,
schleppten beiseite, der eine wünschte ein Haus, Ackerland der andere, die
Sieger kannten weder Maß noch Beherrschung, begingen scheußliche und grausame
Taten gegen ihre Mitbürger. Hierzu kam noch, dass
Lucius Sulla das Heer, das er in Asien geführt hatte, um es sich dadurch treu
zu machen, wider die Art der Vorfahren üppig und allzu großzügig gehalten
hatte. Liebliche und genussreiche Gegenden hatten während der Ruhezeit leicht
den trotzigen Sinn der Soldaten verweichlicht. Dort gewöhnte sich zum ersten
Male das Heer des römischen Volkes an, zu lieben, zu trinken, Statuen,
Gemälde, ziselierte Gefäße zu bewundern, sie auf eigene Faust oder offiziell
zu rauben, die Heiligtümer zu plündern, Heiliges und Nichtheiliges alles zu
besudeln. Nun, diese Soldaten ließen, als sie den Sieg errungen hatten, den
Besiegten nichts übrig. Zumal Glück sogar die Herzen von Weisen schwach macht,
geschweige denn, dass diese bei ihrer verdorbenen Art ihren Sieg maßvoll
ausgenützt hätten.
12.
Als Reichtum in Ehren zu stehen begann und ihm Ruhm, Befehlsstellung, Macht
folgten, begann die Tugend zu erlahmen, Armut für Schande zu gelten, Lauterkeit
als Böswilligkeit genommen zu werden. Also ergriffen die Jugend infolge des
Reichtums Ausschweifung und Habgier zusammen mit Hochmut: sie raubten, sie prassten,
achteten das Eigene gering, begehrten Fremdes, Anstand, Keuschheit, Göttliches
und Menschliches ohne Unterschied, nichts war ihnen wertvoll, und sie kannten
keine Grenze. Es lohnt die Mühe, wenn du Paläste und Landhäuser kennen
gelernt hast, die nach dem Maß ganzer Städte ausgebaut sind, die Tempel der
Götter anzusehen, die unsere Vorfahren, die frömmsten der Sterblichen, gebaut
haben. Aber jene schmückten die Heiligtümer der Götter mit Frömmigkeit, ihre
Häuser mit Ruhm und raubten den Besiegten nichts, außer der Möglichkeit,
Unrecht zu tun. Aber diese dagegen, diese Lotterbuben, nehmen auf höchst
verbrecherische Weise den Bundesgenossen alles das, was die tapfersten Männer
als Sieger ihnen gelassen hatten; als ob Unrecht tun, das erst hieße:
Herrschaft ausüben.
14.
In einer so großen und so verderbten Gemeinschaft hatte Catilina, etwas,
was zu tun sehr leicht war, Scharen von Schandtaten und Verbrechen aller Art wie
eine Leibwache um sich. Denn jeder Lüstling, Verführer, Schlemmer, der mit
Vergeuden, Bauchfüllen und Huren das väterliche Gut wie eine Bestie zerfetzt
hatte, jeder, der große Schulden hatte auflaufen lassen, um damit ein
Verbrechen oder eine Schandtat abzukaufen, zudem alle Mörder aus aller Welt,
Tempelschänder, vor Gericht Verurteilte oder Leute, die für ihre Taten den Prozess
fürchteten, hierzu Leute, denen Hand und Zunge durch Meineid oder Bürgerblut
den Unterhalt gaben, schließlich alle, die eine Schandtat, Armut, das Bewusstsein
einer Schuld quälte, das waren Catilina die Nächsten und seine vertrauten
Freunde.
Wenn aber auch einmal einer, ohne von Schuld beladen zu sein, unter seine
Freunde geraten war, so wurde er durch den täglichen Verkehr und seine
Verführungen gar leicht gleich und den übrigen ähnlich. Am meisten indes
suchte er enge Freundschaft mit jungen Leuten; deren noch weichen und
ungefestigten Charakter konnte man ohne Schwierigkeiten mit List umstricken.
Denn wie die Leidenschaft eines jeden dem Alter entsprechend entbrannt war, so
gab er den einen Dirnen, anderen kaufte er Hunde und Pferde; schließlich sparte
er überhaupt nicht mit Aufwand und seinem Ansehen, wenn er sich nur jene
verpflichtete und treu ergeben machte. Ich weiß, es gab welche, die so
urteilten, dass die Jugend, die im Haus Catilinas verkehrte, es mit ihrer
Keuschheit nicht so genau genommen hätte; aber dies Gerücht hielt sich mehr
aus anderen Gründen, als dass es jemand in sichere Erfahrung gebracht hätte.
17.
Also wendet er sich ungefähr um den 1. Juni herum unter dem Konsulat des
Lucius Caesar und des Gaius Figulus zuerst an einzelne; ermutigt die einen, die
anderen prüft er; er weist auf seine Macht hin, darauf dass der Staat
unvorbereitet ist, auf die großen Gewinne einer Verschwörung. Sobald er zur
Genüge erforscht hatte, was er wollte, ruft er an einem Ort alle zusammen,
deren Notlage am drückendsten war und die die meiste Kühnheit besaßen. Dort
trafen sich vom Senatorenstand Pubhus Lentulus Sura, Pubhus Autronius, Lucius
Cassius Longinus, Gaius Cethegus, Pubhus und Servius Sulla, die Söhne des
Servius, Lucius Vargunteius, Quintus Annius, Marcus Porcius Laeca, Lucius Bestia,
Quintus Curius; zudem aus dem Ritterstande Marcus Fulvius Nobilior, Lucius
Statihus, Pubhus Gabinius Capito, Gaius Cornelius; hierzu viele aus den Kolonien
und den Landstädten, die daheim zum Adel gehörten. Es hatten daran Männer aus
der Nobilität - etwas im Hintergrunde - Anteil, die mehr die Hoffnung auf eine
Gewaltherrschaft reizte als Not oder eine andere Zwangslage. Übrigens war der
größte Teil der Jugend, aber besonders die des Adels, dem Beginnen Catilinas
gewogen; Leute, die reiche Möglichkeiten hatten, in Ruhe prunkvoll oder
gemütlich zu leben, wollten lieber statt Sicherem Ungewisses, lieber Krieg als
Frieden. Es gab damals ebenso Leute, die glaubten, Marcus Licinius Crassus habe
wohl von diesem Komplott gewusst; weil Gnaeus Pompeius, ihm persönlich verhasst,
an der Spitze eines großen Heeres stand, habe er gewollt, dass die Mittel
gleichgültig wessen gegen seine Macht anwüchsen, zugleich im Vertrauen, wenn
die Verschwörung sich durchsetze, werde er leicht bei ihnen die Führerstellung
bekommen.
18.
Indes waren schon vorher einige wenige ebenso eine Verschwörung gegen den
Staat eingegangen, unter ihnen Catilina. Über diese will ich berichten, so
wahrhaft wie ich kann. Unter dem Konsulat des Lucius Tullus und Manius Lepidus
waren die fürs nächste Jahr bestimmten Konsuln Pubhus Autronius und Pubhus
Sulla wegen Wahlbetrugs vor Gericht belangt und bestraft worden. Wenig später
wurde Catilina wegen Erpressungen angeklagt und war gehindert worden, sich um
das Konsulat zu bewerben, weil er innerhalb der gesetzlichen Frist sich nicht
hatte melden können. Es gab da zu eben der Zeit einen Gnaeus Piso, einen jungen
Mann aus dem Adel, von höchster Verwegenheit, mittellos, einen Intriganten, dem
die Not und ein übler Charakter Antrieb waren, den Staat in Unordnung zu
bringen. Diesem teilten Catilina und Autronius um den 5. Dezember den Plan mit
und bereiteten eine Ermordung der Konsum Lucius Cotta und Lucius Torquatus am 1.
Januar auf dem Kapitol vor. Selbst wollten sie die Rutenbündel an sich reißen
und Piso mit einem Heere zur Besetzung der beiden Spanien entsenden. Als das
bekannt wurde, verschoben sie den Plan der Ermordung wieder auf den 5. Februar.
Schon damals sannen sie nicht nur den Konsuln, sondern auch den meisten
Senatoren Verderben.
Wenn aber Catilina sich nicht zu sehr beeilt hätte, vor dem Rathaus seinem
Anhang das Zeichen zu geben, so wäre an diesem Tage die größte Untat seit
Gründung der Stadt begangen worden. Weil die Bewaffneten noch nicht in großer.
20.
Sowie Catilina sah, dass die, welche ich eben vorher erwähnte,
zusammengekommen waren, glaubte er, wenn er auch mit ihnen einzeln vieles oft
verhandelt hatte, es werde doch zuträglich sein, sie insgesamt anzureden und zu
begeistern, zieht sich in einen abgelegenen Teil des Gebäudes zurück und hielt
dort, nachdem alle Zeugen weit entfernt worden waren, eine Rede folgender Art:
Wären eure Tüchtigkeit und Verlässlichkeit mir nicht erprobt, wäre umsonst
eine so günstige Gelegenheit gekommen. Eine große Hoffnung, die Macht fast
schon greifbar nahe, alles wäre vergebens gewesen. Und auch ich würde nicht
mit Feigheit und Hohlköpfen nach Unsicherem statt Sicherem greifen. Weil ich
euch aber in vielen großen Augenblicken als tapfer und mir treu erfunden habe,
deshalb hat mein Herz es gewagt, die größte und schönste Tat in Angriff zu
nehmen; zugleich weil ich sah, dass für euch genau dasselbe Heil und Unheil
bedeutet wie für mich; denn dasselbe wollen und dasselbe nicht wollen, das erst
ist feste Freundschaft. Indes, was ich in meinem Sinne gedacht habe, habt ihr
alle schon vordem getrennt gehört. Im übrigen erhitzt sich mein Gemüt von Tag
zu Tag mehr, wenn ich bedenke, unter welchen Bedingungen wir leben werden, wenn
wir uns nicht selbst freimachen. Denn seit der Staat unter das Recht und die
Botmäßigkeit einiger weniger Mächtiger gekommen ist, sind Könige und
Fürsten immer jenen Leuten abgabenpflichtig; ihnen zahlen Völker und Stämme
Steuern; wir übrigen alle, wackere, tüchtige, adlige und nicht adlige, wir
sind bis jetzt Masse gewesen, ohne Einfluss, ohne Ansehen, denen ausgeliefert,
denen wir, könnte man noch von einem Gemeinwesen sprechen, ein Schrecken
wären. Daher ist aller Einfluss, alle Macht, alle Ehre, aller Reichtum bei
jenen oder dort, wo jene wollen; uns ließen sie die Gefahren, Abweisungen,
Prozesse, Armut. Wie lange wollt ihr denn das mit ansehen, ihr Helden? Ist es
nicht besser, tapfer zu sterben, als ein elendes und schändliches Leben, wenn
du ein Spielball fremden Übermutes geworden bist, schmachvoll zu verlieren?
Aber, bei allem worauf Verlass unter Göttern und Menschen, der Sieg ist ja in
unserer Hand, jugendkräftig unser Alter, stark der Geist; hingegen ist bei
jenen durch die Jahre und den Reichtum alles vergreist. Nur anfangen muss man,
alles andere läuft von selbst. Denn wer unter den Menschen, der einen
männlichen Sinn hat, kann es ertragen, dass diese Leute Reichtümer in Fülle
haben, derart dass sie sie verschwenden, das Meer auszufüllen und die Berge
einzuebnen, uns aber das Vermögen auch zum Nötigsten fehlt? dass sie zwei und
mehr Paläste aneinandebauen, wir nirgends auch nur ein Dach über dem Kopfe
haben? Wenn sie Gemälde, Statuen, getriebene Arbeiten kaufen, Neubauten ein-
reißen, anderes bauen, schließlich überhaupt auf jegliche Weise mit ihrem
Gelde wüsten, es verschleudern, können sie dennoch nicht, auch nicht bei
letzter Befriedigung aller Gelüste, ihres Reichtums Herr werden. Dagegen haben
wir zu Hause Mangel, draußen Schulden; schlimm ist die Lage, die Aus- sichten
noch viel trüber. Kurz, was haben wir denn noch außer dem elenden Leben? Warum
also erwacht ihr nicht? Da ist sie, sie, die ihr oft gewünscht, die Freiheit,
außerdem Reichtum, Ansehen, Ruhm, sie liegen vor Augen. Die Glücksgöttin hat
das alles den Siegern als Preis ausgesetzt. Die Lage, der Zeitpunkt, die
Gefahren, die Not, die großartige Beute des Krieges feuern euch mehr an als
meine Rede. Braucht mich als Führer oder als Gemeinen: weder mein Geist noch
mein Körper wird euch fehlen. Eben dies, wie ich hoffe, werde ich zusammen mit
euch als Konsul betreiben, es müsste denn sein, dass mich mein Sinn täuscht
und ihr lieber Knechte zu sein als zu herrschen bereit seid.
21.
Nachdem das die Männer vernommen hatten, die alles Übel im Überfluss
besaßen, aber nichts Gutes noch eine gute Aussieht, forderten, wenn es ihnen
auch schon ein großer Gewinn schien, den Ruhezustand in Bewegung zu bringen,
doch die meisten, er solle darlegen, wie die Bedingungen des Krieges seien, was
sie für Lohn mit ihren Waffen errängen, was sie überall an Hilfe oder
Hoffnung besäßen. Da versprach Catilina Schuldentilgung, Enteignung der
Besitzenden, Posten, Priesterämter, Plündern, alles andere noch, was der Krieg
und die Willkür der Sieger mit sich bringt; außerdem seien im diesseitigen
Spanien Piso, in Mauretanien mit einem Heer Publius Sittius aus Nuceria, die an
seinem Plane teilnähmen; ums Konsulat bewerbe sich Gaius Antonius, sein
zukünftiger Kollege, wie er hoffe, sein Freund und durch alle Nöte bedrängt;
mit dem hoffe er als Konsul den Beginn des Handelns zu geben. Zudem fuhr er mit
Schmähungen gegen alle Anständigen los, von den Seinen rühmte er einen jeden,
ihn mit Namen nennend. Er erinnerte den einen an seine Armut, den andern an
seine Leidenschaft, mehrere an ihre Gefahr oder Schande, viele an Sullas Sieg,
wem er Beute gebracht hatte. Dann, als er aller Sinn erregt sah, mahnte er sie
noch, sie sollten sich seine Bewerbung angelegen sein lassen, und entließ die
Versammlung.
22.
Es gab dazumal Leute, die sagten, Catilina habe nach der Rede, als er die
Genossen seines Verbrechens zum Schwur trieb, Menschenblut mit Wein vermischt in
Schalen umhergetragen. Danach, als alle nach der Verfluchung davon getrunken
hätten, wie es bei feierlichem Opfer zu geschehen pflegt, habe er seinen Plan
enthüllt, und er habe das deshalb so gemacht, dass sie um so treuer
untereinander wären, wenn der eine des anderen Mitwisser bei einem schweren
Verbrechen wäre. Manche meinten, dies wie vieles außerdem sei von denen
erfunden worden, die glaubten, der Hass gegen Cicero, der nachmals entstand,
werde gemildert durch die Grässlichkeit des Verbrechens derjenigen, die
bestraft worden waren. Für uns ist die Sache bei ihrer Bedeutung zu wenig
erwiesen.
26.
Ungeachtet dieser Vorbereitungen bewarb sich Catilina trotzdem für das
nächste Jahr ums Konsulat, in der Hoffnung, wenn er fürs nächste Jahr
bestimmt sei, werde er Antonius leicht nach seinem Willen lenken. Aber auch
unterdes war er nicht untätig, sondern stellte Cicero auf jegliche Weise
Fallen. Doch auch dem fehlten nicht List und Schlauheit, um auf der Hut zu sein.
Denn vom Beginn seines Konsulates an hatte er es durch viele Versprechungen mit
Hilfe der Fulvia erreicht, dass Quintus Curius, von dem ich wenig vorher
gesproehen, ihm die Pläne Catilinas verriet. Zudem hatte er seinen Kollegen
Antonius durch Zugeständnisse in Fragen der Provinzverteilung dazu gebracht, dass
er nichts gegen das Gemeinwesen aussinne. Um sich hatte er heimlich Schutzwachen
aus Freunden und Abhängigen. Nachdem der Wahltag gekommen war und Catilina
weder mit seiner Bewerbung noch mit den Anschlägen, die er gegen die Konsuln
auf dem Marsfelde unternommen hatte, Erfolg gehabt hatte, beschloss er, zum
Kriege zu schreiten und alles, auch das letzte Mittel, zu erproben, zumal, was
er heimlich versucht hatte, erfolglos und schmählich verlaufen war.
27.
Demnach schickte er den Gaius Manhus nach Faesulae und dem entsprechenden
Teil Etruriens, einen gewissen Septimius aus Camerinum ins Picenerland, Gaius
Juhus nach Apulien, außerdem andere nach anderen Gegenden, wie er glaubte, dass
sie ihm an der jeweiligen Stelle von Nutzen sein könnten.
Unterdes betreibt er in Rom vieles zu gleicher Zeit: den Konsum legte er Fallen,
bereitete Brandstiftungen vor, besetzte günstige Stellen mit bewaffneten
Männern; er selbst trägt die Waffe, heißt es ebenso andere tun, mahnt sie,
sie sollten immer in Spannung und Bereitschaft sein. Tag und Nacht ist er
rastlos tätig, wacht, lässt sich durch Schlaflosigkeit und Strapazen nicht
ermatten. Zuletzt, als ihm trotz vielem Geschäftigsein nichts vorangeht, ruft
er wiederum in tiefster Nacht die Führer der Verschwörung durch Marcus Porcius
Laeca zusammen, und nachdem er dort lange Klagen über ihre Energielosigkeit
geführt, verkündet er, dass er Manhus zu der Menge vorausgeschickt habe, die
er für die Waffenergreifung vorbereitet hatte, desgleichen andere an andere
Orte, die den Beginn des Krieges einleiten sollten, und dass er zum Heere
aufzubrechen wünsche, wenn er zuvor Cicero überwältigt habe: der tue seinen
Plänen gewaltigen Abbruch.
28.
Da versprach, während die übrigen erschrocken zaudern, der römische
Ritter Gaius Cornelius seine Hilfe und mit ihm zusammen der Senator Lucius
Vargunteius, und sie beschlossen, in derselben Nacht wenig später mit
bewaffneten Leuten, wie um die Aufwartung zu machen, bei Cicero einzutreten und
den Ahnungslosen unversehens im eigenen Hause zu durchbohren. Als Curius merkte,
welch große Gefahr dem Konsul drohe, lässt er eilends durch Fulvia Cicero den
heimtückischen Anschlag, der vorbereitet wurde, melden. So wurden jene schon
nicht an die Tür gelassen und hatten ein so ungeheueres Verbrechen vergeblich
auf sich genommen.
Unterdes wiegelte Manhus in Etrurien die Massen auf, die aus Armut zugleich und
Schmerz über ihr erlittenes Unrecht auf Umsturz begierig waren, weil sie unter
der Gewaltherrschaft Sullas ihre Acker und allen Besitz verloren hatten,
außerdem Banditen jeder Art, deren es in dieser Gegend eine große Fülle gab,
dazu manche aus Sullas Kolonien, denen Üppigkeit und Verschwendung von ihrem
großen Raub nichts übriggelassen hatten.
29.
Als das Cicero gemeldet wurde, war er ob des doppelten Unheils beunruhigt,
weil er einesteils die Stadt vor Anschlägen nicht länger durch private
Initiative schützen konnte, andrerseits nicht recht hatte in Erfahrung bringen
können, wie groß das Heer des Manhus sei und welche Absichten er habe, und
bringt die Sache vor den Senat, nachdem sie schon vorher im Gerede der Masse
aufgeregt erörtert worden war. So beschloss der Senat, was er meistens in
furchtbarer Lage zu tun pflegt, die Konsuln möchten sich bemühen, dass der
Staat keinen Schaden nehme. Diese Macht wird nach römischer Sitte durch den
Senat einem Beamten als größte übertragen: ein Heer zu rüsten, Krieg zu
führen, auf jegliche Weise Bundesgenossen und Bürger zum Gehorsam zu zwingen,
daheim und im Felde die höchste Befehlsgewalt und das höchste Richteramt
auszuüben: sonst hat ohne des Volkes Geheiß der Konsul kein Recht auf eine
dieser Vollmachten.
30.
Wenige Tage darauf las der Senator Lucius Saenius im Senat einen Brief vor,
der ihm nach seinen Worten aus Faesulae gebracht war und in dem stand, Gaius
Manhus habe mit einer großen Menge am 27. Oktober zu den Waffen gegriffen.
Zugleich wussten die einen, wie es eben bei einer solchen Sache zu gehen pflegt,
von Wundern und Vorzeichen zu berichten, andere, dass Versammlungen
stattfänden, Waffen transportiert würden, in Capua und in Apulien ein
Sklavenkrieg beabsichtigt sei. Auf Senatsbeschluss werden daher Quintus Marcius
Rex nach Faesulae, Quintus Metellus Creticus nach Apulien und Umgebung geschickt
- diese beiden standen als Feldherren vor der Stadt, gehindert, den Triumph zu
begehen, durch die Ränke weniger Leute, die sich gewöhnt hatten, alles,
Ehrenvolles und Schmachvolles, zu verhökern -, aber die Prätoren Quintus
Pompeius Rufus nach Capua, Quintus Metellus Celer ins Picenerland. Und es wurde
ihnen gestattet, ein Heer entsprechend der Lage und der Gefahr zu rüsten; dazu
beschlossen sie, wenn einer eine Anzeige über die Verschwörung, die gegen das
Gemeinwesen unternommen war, machen würde, eine Belohnung, für einen Unfreien
die Freiheit und 100 000 Sestertien, für einen Freien Straflosigkeit davon und
200 000 Sestertien, und desgleichen, dass die Gladiatorenverbände nach Capua
und in die übrigen Landstädte entsprechend der Macht einer jeden verteilt
werden sollten, dass in Rom durch die ganze Stadt hin Wachen gehen und dass die
niederen Beamten sie führen sollten.
31.
Durch diese Dinge wurden die Bürger sehr erregt und das Angesicht der Stadt
änderte sich. Auf größte Lebensfreude und Ausgelassenheit, eine Wirkung der
dauernden Ruhe, befiel alle plötzlich ein trübseliges Wesen: sie finden keine
Ruhe, laufen ängstlich hin und her, haben zu keinem Ort und zu keinem Menschen
ein rechtes Vertrauen, führen keinen Krieg und haben doch keinen Frieden, ein
jeder bemisst die Gefahr nach seiner Angst; die Frauen, die eine infolge der
Größe des Staates ungewohnte Kriegsfurcht befallen hatte, zerschlagen sich die
Brust, strecken bittflehend die Hände zum Himmel empor, bejammern ihre kleinen
Kinder, fragen nach allem, entsetzen sich bei jedem Gerücht, raffen alles
zusammen unter Aufgabe ihrer Überheblichkeit und ihres Tandes, haben kein
Vertrauen in sich und das Vaterland.
Aber des Catilina harter Sinn betrieb das gleiche weiter, wenn auch
Schutzmaßnahmen vorbereitet wurden und er selbst von Lucius Paulus nach dem
Plautischen Gesetz belangt worden war; zuletzt, um zu tun, als ob nichts wäre,
oder um sich zu rechtfertigen, kam er in den Senat, gleich als wäre er durch
Anwürfe gereizt. Da hat der Konsul Marcus Tulhus Cicero, aus Furcht über seine
Anwesenheit oder aus Zorn, eine glänzende und für den Staat nützliche Rede
gehalten, die er dann auch ausgearbeitet und herausgegeben hat. Sobald er sich
aber gesetzt hatte, da begann Catilina, wie er ja gerüstet war für jede Art
von Verstellung, mit gesenktem Blick, flehender Stimme die Senatoren zu bitten,
sie sollten doch nicht ohne weiteres etwas über ihn glauben: er stamme aus so
guter Familie, habe von früher Jugend so sein Leben eingerichtet, dass er alles
Gute in Aussicht habe; sie sollten doch nicht meinen, ihm, einem Manne aus altem
Adel, der selbst und dessen Vorfahren die zahlreichsten Verdienste um das
römische Volk besäßen, liege an der Vernichtung des Staates, während ihn
Marcus Tulhus rette, ein hergelaufener Eindringling in der Stadt Rom. Als er
hierzu noch andere Schmähreden fügte, lärmten alle gegen ihn, nannten ihn
einen Feind und Mörder. Da sagte er von Sinnen: ,,Da ich einmal, umstellt von
Feinden, gestürzt werden soll, werde ich meinen Brand in Trümmern
ersticken."
32.
Darauf stürzte er aus dem Saal nach Hause. Dort überlegte er lange bei
sich hin und her, weil einmal der Anschlag auf den Konsul nicht vonstatten gehen
wollte und er auch sah, dass die Stadt vor Brandstiftung durch die Wachen
gesichert war, und hielt es fürs beste, sein Heer zu vergrößern und, bevor
Legionen ausgehoben würden, vieles vorher an sich zu reißen, was für den
Krieg von Nutzen sein könnte. So brach er in tiefer Nacht mit wenigen Leuten in
das Lager des Manhus auf. Cethegus aber und Lentulus und den übrigen, deren
rasche Verwegenheit er kennen gelernt hatte, trägt er auf, wie sie nur
könnten, die Macht ihrer Partei zu stärken, den Anschlag auf den Konsul zu
beschleunigen, Mord, Brandstiftung und andere Kriegstaten vorzubereiten. Er
werde in nächster Zeit mit einem gewaltigen Heere vor die Stadt rücken.
Während dies in Rom geschieht, schickt Gaius Manhus aus seiner Schar Gesandte
zu Marcius Rex mit Aufträgen folgenden Inhalts:
33.
,,Wir rufen die Götter und Menschen zu Zeugen an, Feldherr, dass wir zu den
Waffen nicht gegen das Vaterland gegriffen haben, noch um damit andere in Gefahr
zu bringen, sondern dass unsere Leiber sicher seien vor Unrecht, wir, die wir
elend, mittellos, durch die Gewaltsamkeit und Grausamkeit der Wucherer
größtenteils des Vaterlands, aber alle der Ehre und des Vermögens verlustig
gegangen sind. Keinem von uns aber war es nach der Sitte der Vorfahren gegeben,
das Gesetz anzurufen noch nach Verlust unseres Vermögens die persönliche
Freiheit zu behalten: so hart war die Erbarmungslosigkeit der Wucherer und des
Prätors. Oft haben eure Vorfahren, sich der Masse des römischen Volkes
erbarmend, durch ihre Beschlüsse seiner Mittellosigkeit gesteuert, und noch
jüngst zu unserer Zeit ist wegen der Größe der Schulden mit Willen aller
Wohlgesinnten Silber mit Kupfer eingelöst worden. Oft hat sich das Volk selbst,
entweder von der Leidenschaft zur Herrschaft oder der Unterdrückung durch die
Beamten aufgewühlt, bewaffnet vom Senat getrennt. Aber wir wollen nicht
Herrschaft noch Reichtümer, derentwegen Krieg und aller Streit ist unter den
Menschen, sondern die Freiheit, die ein richtiger Mann nur mit seinem Leben
zugleich verliert. Dich und den Senat beschwören wir, sorgt für eure
unglücklichen Mitbürger, gebt ihnen den Schutz des Gesetzes wieder, den ihnen
die Härte des Präton entrissen hat, und erlegt uns nicht die Notwendigkeit
auf, den Tod zu suchen, nachdem wir für unser Blut die schlimmste Rache
genommen haben."
34.
Darauf antwortete Quintus Marcius, wenn sie den Senat um etwas bitten wolten,
möchten sie von den Waffen lassen, demütig nach Rom ziehen. Der Senat des
römischen Volkes sei immer von solcher Milde und Güte gewesen, dass niemand
ihn je vergeblich um Hilfe gebeten habe.
Catilina hingegen schickte von unterwegs den meisten Briefe, Konsularen, zudem
sonst den Bedeutendsten: er sei in falsche Anschuldigungen verstrickt; da er dem
Komplott seiner Feinde nicht habe Widerstand leisten können, weiche er dem
Schicksal und gehe in die Verbannung nach Massilia; nicht weil er sich eines so
schlimmen Verbrechens bewusst sei, sondern auf dass der Staat Ruhe habe und aus
seinem persönlichen Kampf kein Aufruhr entstehe. Einen von diesen weit
verschiedenen Brief las Quintus Catulus im Senat vor; nach seiner Aussage war er
ihm in Catilinas Namen gebracht worden. Eine Abschrift davon ist hier unten
gegeben:
35.
,, Lucius Catilina an Quintus Catulus. Deine außerordentliche, durch die
Tat erprobte Zuverlässigkeit, die mir in meinen großen Gefahren willkommen
ist, gibt Zutrauen in meine Empfehlung.
Deshalb habe ich nicht vor, eine Verteidigung bei dem neuen Unternehmen zu
geben; eine Erklärung aber ohne das Bewusstsein der Schuld will ich über sie
vorlegen, die du bei Gott als wahr erkennen darfst. Durch Kränkungen und
Beleidigungen aufgebracht, weil ich, der Frucht meiner Mühen und Anstrengungen
beraubt, nicht die Stellung, die mir zukam, behaupten konnte, habe ich die
allgemeine Sache der Unglücklichen nach meiner Gewohnheit übernommen, nicht
weil ich meine Schulden, die ich auf meinen Namen gemacht hatte, aus meinem
Besitz nicht hätte bezahlen können - auch die auf fremden Namen hätte die
Großzügigkeit der Orestilla aus eigenen und der Tochter Mitteln beglichen-,
sondern weil ich Menschen, die dessen nicht wert waren, mit Ehre ausgezeichnet
sah und spürte, dass ich durch falsche Verdächtigungen beiseite geschoben war.
Aus diesem Grund bin ich dann den bei meiner Lage zur Genüge ehrenvollen
Aussichten gefolgt, meine verbleibende Stellung zu wahren. Eben, als ich noch
mehr schreiben will, wird mir gemeldet, man wolle mit Gewalt gegen mich
vorgehen. So empfehle ich dir und deinem treuen Schutz Orestilla; schütze sie
vor Unbill, ich bitte dich bei deinen Kindern. Lebe wohl!"
36.
Selbst aber weilt er wenige Tage im Gebiet von Arretium bei Gaius Flaminius,
indem er dabei die schon vorher unruhige Nachbarschaft mit Waffen ausstattet,
und eilt dann mit den Rutenbündeln und den anderen Abzeichen des Oberbefehls in
das Lager zu Manhus.
Als das in Rom bekannt wird, erklärt der Senat Catilina und Manhus zu
Staatsfeinden, für die übrige Menge setzt er einen Tag fest, vor dem sie ohne
Gefährdung von den Waffen lassen könnten, ausgenommen
die, welche eines todeswürdigen Verbrechens wegen verurteilt waren. Außerdem
beschließt er, die Konsuln sollten die Aushebung vornehmen, Antonius sich
beeilen, Catilina mit einem Heer zu verfolgen, Cicero die Stadt schützen.
Dazumal schien mir das Reich des römischen Volkes bei weitem am meisten
beklagenswert. Obwohl ihm bis zum Untergang der Sonne vom Aufgang angefangen
alles durch Waffengewalt bezwungen gehorchte, daheim Frieden und Reichtum, die
wertvollsten Dinge nach dem Urteil der Menschen, im Überfluss vorhanden waren,
gab es doch Bürger, die sich und das Gemeinwesen durch ihren verstockten Sinn
zugrunde richteten. Denn trotz der zwei Senatsbeschlüsse hatte bei einer so
ungeheuren Menge keiner durch die ausgesetzte Belohnung verlockt die
Verschwörung aufgedeckt, und das Lager Catilinas hatte kein einziger verlassen:
so groß war die Gewalt der Krankheit, und wie eine Seuche hatte sie den Geist
der meisten Bürger befallen.
37.
Denn nicht nur denjenigen, die Mitwisser der Verschwörung gewesen waren,
war der Sinn verwirrt, sondern überhaupt das gesamte niedere Volk hieß das
Beginnen Catilinas gut aus Freude am Umsturz. Das tat es offensichtlich nach
seiner Art. Denn immer sehen in einem Staate diejenigen, die keine Mittel haben,
auf die Tüchtigen mit Missgunst, heben Taugenichtse auf den Schild, hassen das
Alte, begehren Neues, aus Verdruss über ihre Lage sind sie dafür, alles zu
ändern, gedeihen bei Wirren und Aufruhr, ohne sich Sorgen zu machen, da man ja
die Armut leicht ohne Schaden haben kann. Die hauptstädtische Masse indes, die
war vollends hemmungslos aus vielen Gründen. Zum ersten vor allem: wer irgendwo
sich besonders auszeichnete durch schändliches Wesen und Frechheit, desgleichen
andere, die schimpflich ihr Vermögen verloren hatten, schließlich alle, die
eine Schandtat oder ein Verbrechen von daheim fortgetrieben hatte, die waren in
Rom wie die Jauche im Kielraum des Schiffes zusammengelaufen. Dann hofften viele
in Erinnerung an Sullas Sieg, weil sie gemeine Soldaten jetzt teils als
Senatoren sahen, teils so reich, dass sie ein Leben in königlicher Weise und
Pracht führten, jeder für sich selbst, wenn er zu den Waffen griffe, nach
einem Siege Ahnliches. Außerdem hatte die Jugend, die auf den Feldern mit ihrer
Hände Lohn ein armes Leben geführt hatte, durch Geschenke von privater Seite
und von Staats wegen herbeigelockt, das Nichtstun in der Stadt einer undankbaren
Arbeit vorgezogen. Die und alle anderen lebten vom Unglück des Staates. Kein
Wunder daher, dass diese Menschen, arm, sittlich verkommen, voll der größten
Erwartungen, für den Staat nicht anders sorgten als für sich. Außerdem: alle,
deren Eltern nach dem Sieg Sullas geächtet, deren Güter geraubt, deren
Freiheitsrechte beschnitten worden waren, erwarteten in keineswegs anderer
Gesinnung den Ausgang des Krieges. Dazu wollten alle, die einer anderen als der
Senatspartei angehörten, lieber, dass das Gemeinwesen in Unordnung geriete, als
dass sie selber weniger Gewicht hätten. Dies Unheil war nach vielen Jahren in
den Staat wieder eingekehrt.
38.
Denn nachdem unter dem Konsulat des Gnaeus Pompeius und des Marcus Crassus
die Amtsgewalt der Tribunen wiederhergestellt worden war, begannen junge
Burschen, nach Erlangung höchster Amtsgewalt, in jugendlicher und angeborener
Rücksichtslosigkeit das Volk mit Verdächtigungen gegen den Senat aufzuwiegeln,
dann es durch Geschenke und Versprechungen noch mehr zu erhitzen und so selbst
berühmt und mächtig zu werden. Gegen diese arbeitete mit aller Kraft der
größte Teil des Adels nach außen für den Senat, in Wirklichkeit für seine
eigene Größe. Denn, um mit wenigen Worten die ganze Wahrheit hinzustellen:
alle, die nach jener Zeit unter wohlklingenden Titeln das Gemeinwesen in Unruhe
versetzten, die einen, gleich als ob sie die Rechte des Volkes schützten, ein
Teil, dass das Ansehen des Senates so groß wie möglich sei, nahmen das
Gemeinwohl nur zum Vorwand, um jeder für die eigene Macht zu kämpfen. Und sie
kannten weder Zurückhaltung noch Maß in diesem Kampf. Beide Parteien nützten
ihren Sieg grausam aus.
39.
Indes, als Gnaeus Pompeius in den Seeräuberkrieg und dann gegen Mithridates
geschickt worden war, war die Macht des Volkes gebrochen, der Einfluss der
wenigen wuchs. Die hielten die Ämter, die Provinzen und alles andere in ihrer
Hand; selbst lebten sie unangreifbar, gedeihend, ohne Furcht und schreckten die
übrigen durch Prozesse, damit sie während ihrer Amtsführung das Volk nicht zu
sehr aufwiegelten. Kaum aber bot sich bei unsicherer Lage die Hoffnung auf
Umsturz, so richtete der alte Streit dessen Mut auf. Hätte aber beim ersten
Gefecht Catilina als Sieger oder mit gleichem Glücke das Kampffeld verlassen,
hätte fürwahr ein schweres Unglück und Unheil den Staat vernichtet. Aber auch
die Sieger hätten den Sieg nicht länger genießen können, ohne dass den
Ermatteten und Ausgebluteten ein Mächtigerer Herrschaft und Freiheit entwunden
hätte.
Es gab jedoch mehrere nicht zur Verschwörung Gehörige, die gleich am Anfang zu
Catilina aufbrachen. Unter denen war Fulvius, der Sohn eines Senators, den der
Vater unterwegs zurückholen und töten ließ.
Zur selben Zeit wiegelte in Rom Lentulus, wie es Catilina befohlen hatte, alle,
die er nach Charakter und Lage für den Umsturz geeignet glaubte, entweder
selbst oder durch andere auf, und nicht nur Bürger, sondern jede Sorte
Menschen, wenn sie nur für den Krieg von Nutzen wäre.
40.
So stellt er einem gewissen Pubhus
Umbrenus die Aufgabe, er solle die Gesandten der Allobroger aufsuchen und sie,
wenn möglich, zur Teilnahme am Krieg bewegen, im Glauben, unter dem Druck ihrer
öffentlichen und privaten Schuldenlast, außerdem weil der gallische Stamm von
Natur kriegerisch sei, könnten sie leicht für ein solches Unternehmen gewonnen
werden. Umbrenus war, weil er in Gallien Geschäfte gehabt hatte, den meisten
Führern der Stämme bekannt und kannte sie selbst. Deshalb tat er, kaum dass er
die Gesandten auf dem Forum erblickt hatte, ein paar Fragen nach der Lage ihres
Staates, und wie wenn er dessen Unglück bedauerte, begann er zu forschen,
welches Ende sie denn für ein solches Elend erhofften. Als er sieht, dass sie
Klage führen über die Habgier der Beamten, dass sie den Senat beschuldigen, dass
bei ihm keine Hilfe sei, dass sie für ihr Elend nur ein Mittel, den Tod,
erwarten, sagt er: ,,Doch ich will euch, wenn ihr nur Männer sein wollt, den
Weg zeigen, wie ihr diesem eurem schlimmen Elend entfliehen könnt."
Als er das gesagt hatte, da fassten die Allobroger die größte Hoffnung und
baten ihn, er solle doch Mitleid mit ihnen haben: nichts sei so hart und
schwierig, was sie nicht mit größtem Verlangen tun würden, wenn es nur ihren
Staat von seinen Schulden befreie. Er führt sie in das Haus des Decimus Brutus,
das in der Nähe des Forums lag und wegen der Sempronia für seinen Plan
günstig war; denn Brutus war damals abwesend von Rom. Außerdem ruft er
Gabinius herbei, damit seine Rede ein größeres Gewicht hätte. Als der da war,
enthüllt er die Verschwörung, nennt die Verschworenen, außerdem viele
Unschuldige jeder Art, damit die Gesandten desto größeren Mut hätten. Dann entlässt
er sie, nachdem sie ihre Mitwirkung versprochen haben.
41.
Die Allobroger waren lange im ungewissen, was für einen Entschluss sie
fassen sollten. Auf der einen Seite stand die Schuldenlast, die Lust am Kriege,
der große Preis in der Hoffnung auf den Sieg; aber auf der anderen größere
Macht, gefahrlose Entschlüsse, statt unsicherer Hoffnung sichere Belohnung.
Während sie dies hin und her überlegten, siegte schließlich das Glück
unseres Staates. So entdeckten sie dem Quintus Fabius Sanga, dessen Schutz ihr
Staat meist in Anspruch nahm, die ganze Sache, wie sie sie in Erfahrung gebracht
hatten. Cicero erhält durch Sanga von dem Plan Kenntnis und gibt den Gesandten
Anweisung, lebhaftes Interesse an der Verschwörung vorzutäuschen, anel zu den
übrigen zu gehen, reichlich Versprechungen zu machen und sich zu bemühen, sie
möglichst fest in die Hand zu bekommen.
42.
Zu derselben Zeit ungefähr waren im diesseitigen und jenseitigen Gallien,
ebenso im Picenerland, in Bruttien, in Apulien Unruhen. Denn die Leute, die
Catilina vorher ausgeschickt hatte, betrieben unüberlegt und wie von Sinnen
alles zu gleich. Durch nächtliche Beratungen, Transporte voll Waffen zu
Verteidigung und Angriff, durch Hastet und sich auf alles erstreckende
Betriebsamkeit hatten sie mehr Furcht als Gefahr erzeugt. Von dieser
Gesellschaft hatte der Prätor Quintus Metellus Celer auf Senatsbeschluss nach
einer Untersuchung mehrere ins Gefängnis werfen lassen, desgleichen im
diesseitigen Gallien Gains Murena, der den Befehl über diese Provinz als Legat
hatte.
43.
In Rom aber hatte Lentulus mit den übrigen Häuptern der Verschwörung nach
Bereitstellung wie ihm schien bedeutender Streitkräfte beschlossen, der
Volkstribun Lucius Bestia solle, wenn Catilina mit seinem Heere ins Gebiet von
Faesulae gelangt sei, eine Volksversammlung abhalten, sich über das Vorgehen
Ciceros beschweren und das Odium des drückenden Krieges dem ausgezeichneten
Konsul aufbürden: auf dies Zeichen solle in der folgenden Nacht die übrige
Menge der Verschwörung ein jeder seine Aufgabe durchführen. Die aber, hieß
es, seien auf folgende Weise verteilt gewesen: Statihus und Gabinius sollten mit
einer großen Schar zwölf geeignete Stellen der Stadt zugleich anstecken, dass
man in dem Durcheinander leichter an den Konsul und die anderen herankäme,
denen man ans Leben wollte. Cethegus sollte Ciceros Haustor besetzen und ihn
selbst mit der Waffe angreifen, jeder sollte aber einen andern, die Söhne der
Familien jedoch, deren größter Teil von Adel war, ihre Väter umbringen; wenn
alle durch Mord zugleich und Brand betäubt seien, sollten sie zu Catilina
durchbrechen. Bei diesen Vorbereitungen und Beschlüssen klagte Cethegus ohne Unterlass
über die Feigheit seiner Spießgesellen: sie verdürben durch Zaudern und
Aufschieben große Gelegenheiten; Tat, nicht Rat sei in solcher Gefahr
vonnöten;
er werde, wenn nur wenige ihm zur Seite stünden, den Sturm auf die Kurie
machen, möchten andere auch schlaff und untätig sein. Von Natur war er wild,
heftig, rasch bei der Hand, das Beste lag nach seiner Meinung in der
Schnelligkeit.
44.
Die Allobroger indes suchen nach Ciceros Weisung durch Vermittlung des
Gabinius die anderen auf. Von Lentulus, Cethegus, Statihus sowie von Cassius
fordern sie eine eidliche Erklärung, die sie versiegelt ihren Mitbürgern
bringen könnten: anders würden sie nicht leicht zu einer so großen Sache zu
bewegen sein. Die anderen geben sie ohne allen Verdacht, Cassius verspricht, in
Kürze selbst dahin zu kommen, und bricht wenig vor den Gesandten aus der Stadt
auf. Lentulus schickt mit ihnen einen Mann namens Titus Volturcius aus Croton, dass
die Allobroger, bevor sie nach Hause weiterzögen, mit Catilina durch
gegenseitiges Gelöbnis das Bündnis erhärteten. Selbst gibt er Volturcius
einen Brief an Catilina mit, dessen Abschrift hier folgt: ,,Wer ich bin,
erfährst du von dem, den ich zu dir schicke. Erwäge bitte, in welcher Not du
bist, und vergiss nicht, dass du ein Mann bist. Geh mit dir zu Rate, was deine
Lage erfordert. Hilfe suche bei allen, auch bei den Niedrigsten."
Zudem trägt er ihm mündlich auf: da er vom Senat zum Staatsfeind erklärt sei,
weswegen wolle er dann die Sklaven zurückweisen? In der Stadt sei vorbereitet,
was er befohlen. Er solle nicht zögern, selber näher heranzurücken.
45.
Als dies soweit war, die Nacht bestimmt war, in der sie aufbrechen sollten,
erteilt Cicero, durch die Gesandten über alles unterrichtet, den Prätoren
Lucius Valenus Flaccus und Gaius Pomptinus den Befehl, an der Mulvischen Brücke
der ganzen Gesellschaft der Allobroger aufzulauern und sie festzunehmen. Er
enthüllt ihnen die ganze Angelegenheit, derentwegen sie ausgeschickt wurden; im
übrigen stellt er ihnen anheim, so zu handeln, wie die Lage es erfordert. Die,
alte Soldaten, verteilen in aller Stille ihre Posten, wie befohlen, und besetzen
heimlich die Brücke. Als die Gesandten mit Volturcius an diese Stelle kamen und
sich zugleich auf beiden Seiten ein Geschrei erhob, ergaben sich die Galher,
indem sie schnell die Absicht erkannten, ohne Verzug den Prätoren, Volturcius
feuerte zunächst die andern an und verteidigte sich mit dem Schwert vor dem
Haufen, dann, als er sich von den Gesandten verlassen sah, bat er erst lange den
Pomptinus flehentlich um Rettung - es war nämlich ein Bekannter von ihm -,
endlich überließ er sich ängstlich und schon nichts mehr auf sein Leben
gebend den Prätoren wie Feinden.
46.
Als dies vollendet war, wurde
alles eilends dem Konsul durch Boten dargetan. Diesen aber ergriff ungeheure
Sorge und Freude zugleich. Denn er freute sich, weil er erkannte, dass durch die
Entdeckung der Verschwörung der Staat den Gefahren entrissen sei; dann aber war
er wiederum in beklemmender Sorge, unsicher, was zu tun sei, wo man so
hochgestellte Mitbürger bei dem größten Verbrechen ertappt habe: ihre
Bestrafung, glaubte er, werde ihn belasten, lasse man sie ungestraft, werde das
den Staat zugrunde richten. So faßte er sich und hieß zu sich rufen Lentulus,
Cethegus, Statihus, Gabinius, desgleichen Caeparius aus Terracina, der im
Begriff war nach Apulien aufzubrechen, um die Sklaven aufzuwiegeln. Die anderen
kommen sofort, Caeparius hatte kurz vorher sein Haus verlassen und war, als er
von der Anzeige erfahren hatte, aus der Stadt gewichen. Der Konsul führt
Lentulus, weil er Prätor war, selbst an der Hand in den Senat, die anderen
heißt er unter Bewachung in den Tempel der Concordia kommen. Dorthin ruft er
den Senat zusammen, und unter großer Beteiligung dieses Standes führt er den
Volturcius mit den Gesandten herein.
Dem Prätor Flaccus befiehlt er, auch das Kästchen mit den Briefen, die er von
den Gesandten erhalten hatte, dorthin zu bringen.
47.
Volturcius, befragt nach Reiseziel, Brief, endlich was er für Absichten
gehabt habe und aus welchem Grunde, erfindet zunächst andere Ausreden, stellt
sich, als ob er von der Verschwörung nichts wisse. Als er dann unter
Zusicherung von Straffreiheit zu reden aufgefordert wurde, enthüllt er alles,
wie es zugegangen war, und legt dar, dass er erst vor wenigen Tagen von Gabinius
und Caeparius als Mitglied herzugezogen worden sei und deshalb nicht mehr wisse
als die Gesandten, nur habe er öfter von Gabinius gehört, Pubhus Autronins,
Servius Sulla, Lucius Vargunteius, außerdem noch viele seien auch bei dieser
Verschwörung. Dasselbe sagen die Gallier aus, und den Lentulus, der leugnet,
überführen sie durch seinen Brief und die Reden, die er zu führen pflegte:
nach den Sibyllinischen Büchern werde die Herrschaft über Rom drei Corneliern
geweissagt; Cinna und Sulla seien es vorher gewesen, er sei der dritte, dem es
bestimmt sei, sich der Stadt zu bemächtigen; zudem sei dieses nach dem Brande
des Kapitols das zwanzigste Jahr, das so lauteten die Bescheide der Vogelschauer
nach den Vorzeichen - durch Bürgerkrieg blutig sein werde. Als die Briefe
verlesen worden waren und alle zuvor ihr Siegel anerkannt hatten, beschließt
daher der Senat, dass nach Niederlegung seines Amtes Lentulus genau wie die
anderen in freier Haft gehalten werden solle. Deshalb wird Lentulus dem Pubhus
Lentulus Spinther, der damals Ädil war, Cethegus dem Quintus Cornificius,
Statihus dem Gaius Caesar, Gabinius dem Marcus Crassus, Caeparius denn der war
kurz vorher von seiner Flucht zurückgeholt worden - dem Senator Gnaeus
Terentius übergeben.
48.
Derweilen änderte nach Entdeckung der Verschwörung das Volk seinen Sinn,
das doch zunächst, auf Umsturz lüstern, dem Kriege nur allzu sehr gewogen war,
verwünschte die Anschläge Catilinas, hob Cicero in den Himmel; gleich als
wären sie der Unterdrückung entronnen, schwammen sie in Lustigkeit und Freude.
Denn andere Kriegstaten, meinten sie, würden eher Beute als Schaden bringen,
Brandstiftung aber sei grausam, maßlos und besonders verhängnisvoll für sie,
deren ganzer Besitz in den täglichen Gebrauchsdingen und der Kleidung bestand.
Tags darauf wird ein Mann namens Lucius Tarquinius dem Senat vorgeführt, der,
wie sie sagten, zu Catilina gehen wollte und unterwegs aufgegriffen worden war.
Da er sagte, er wolle Anzeigen betreffs der Verschwörung erstatten, wenn
Straffreiheit gewährt würde, wurde er vom Konsul aufgefordert, zu verkünden,
was er wisse, und legt dem Senat etwa dasselbe dar wie Volturcius, über die
vorbereiteten Brandstiftungen, die Niedermetzelung der Anständigen, die
Marschrichtung der Feinde: zudem sei er von Marcus Grassus geschickt, um
Catilina zu sagen, die Ergreifung des Lentulus, Cethegus und der übrigen von
der Verschwörung solle ihn nicht schrecken und er solle sich nur um so mehr
beeilen, an die Stadt heranzurücken, um dadurch den Mut der übrigen wieder zu
heben und auf dass jene leichter ihrer gefährlichen Lage entrissen werden
könnten. Als aber Tarquinius Crassus nannte, einen Mann von Adel, von größtem
Reichtum, höchster Macht, erhoben sie ein Geschrei, die einen, weil sie die
Sache für unglaubwürdig hielten, ein Teil, ob sie gleich von der Wahrheit
überzeugt waren, doch, weil in einem solchen Zeitpunkt die gewaltige Macht des
Mannes mehr zu besänftigen als zu reizen tunlich schien, die meisten, weil sie
dem Crassus aufgrund privater Geschäfte verpflichtet waren: der Angeber sei ein
Lügner; sie fordern, dass über die Sache vor dem Senat beraten werde.
Und so entscheidet der Senat auf Ciceros Antrag, dass die Anzeige des Tarquinins
falsch erscheine, er solle in Haft gehalten werden und es solle ihm nicht mehr
die Möglichkeit zur Aussage gegeben werden, wenn er nicht über den eine
Anzeige mache, auf dessen Veranlassung er eine so wichtige Sache erlogen habe.
Es gab zu der Zeit Leute, die der Ansicht waren, diese Anzeige sei von Pubhus
Autronius inszeniert worden, um desto leichter - wenn der Name Crassus gefallen
wäre - die übrigen durch die Gemeinsamkeit der Gefahr mit dessen Macht zu
decken. Andere behaupteten, Tarquinius sei von Cicero entsandt worden, dass
Crassus nicht, indem er nach seiner Art den Schutz der üblen Elemente
übernähme, den Staat in Unordnung bringe. Ich habe später Crassus selbst
äußern hören, diese große Schmach sei ihm von Cicero aufgebürdet worden.
49.
Zur gleichen Zeit aber konnten Quintus Catulus und Gaius Piso weder durch
Bestechung noch durch ihren Einfluss Cicero dazu bringen, durch die Allobroger
oder durch einen anderen Angeber Gaius Caesar fälschlich nennen zu lassen. Denn
beide hatten mit diesem schwere Feindschaft: Piso war von ihm angegriffen worden
in einem Schadenersatzprozess wegen der ungerechten Hinrichtung eines
Transpadaners, Catulus hasste ihn glühend seit seiner Bewerbung um das
Pontifikat, weil er hochbetagt, nachdem er die höchsten Stellen innegehabt
hatte, vor dem ganz jungen Caesar besiegt das Feld hatte räumen müssen. Die
Gelegenheit aber schien günstig, weil er persönlich durch seine
außerordentliche Großzügigkeit, in seiner Amtsführung durch reichste
Geschenke große Summen schuldete. Als sie aber den Konsul zu einem solchen
Verbrechen nicht bringen können, gehen sie selbst an einzelne Leute heran und
lügen zusammen, was sie nach ihrer Behauptung von Volturcius oder den
Allobrogern gehört hätten, und hatten damit viel böses Blut gegen ihn
gemacht, derart, dass einige römische Ritter, die als Wache in Waffen beim
Tempel der Concordia standen, mag sein durch die Größe der Gefahr getrieben,
mag sein weil sie leicht hinzureißen waren, Caesar, wie er aus dem Senat
heraustrat, mit dem Schwerte bedrohten, damit ihr Eifer für das Gemeinwohl
sichtbar vor aller Augen stünde.
50.
Während dieser Verhandlungen im Senat und während für die Gesandten der
Allobroger und Titus Volturcius, da sich ihre Anzeige als wahr erwiesen hatte,
Belohnungen beschlossen wurden, suchten die Freigelassenen und einige von den
abhängigen Leuten des Lentulus, nach entgegengesetzter Richtung laufend, die
Handwerker und die Sklaven in den Gassen zu seiner Befreiung aufzuwiegeln, teils
suchten sie auch Bandenführer ausfindig zu machen, die um Lohn das Gemeinwesen
zu plagen gewohnt waren. Cethegus aber bat durch Boten sein Haus und seine
Freigelassenen, auserlesene und geübte Leute, sie sollten eine Kampfgruppe
bilden und mit Waffengewalt zu ihm durchbrechen.
Als der Konsul diese Vorbereitungen erkennt, verteilt er Posten, wie es
Umstände und Lage erfordern, ruft den Senat zusammen und leitet eine
Verhandlung darüber ein, was man mit denen zu tun gedenke, die in Haft gegeben
worden waren. Kurz vorher aber hatte der Senat unter großer Beteiligung das
Urteil gefällt, dass diese gegen den Staat gehandelt hätten. Da hatte Decimus
Iunius Silanus, als erster nach seiner Meinung befragt, weil er zu der Zeit
gewählter Konsul des nächsten Jahres war, entschieden, die, welche in Haft
gehalten wurden, und außerdem Lucius Cassius, Pubhus Funus, Pubhus Umbrenus,
Quintus Annius, wenn sie gefasst würden, seien hinzurichten; derselbe sagte
später, durch die Rede Gaius Caesars bestimmt, er trete der Meinung des Tibenus
Nero bei, der nämlich die Ansicht vertreten hatte, über diese Sache solle
verhandelt werden erst nach Verstärkung der Wachen.
Caesar aber sprach, als die Reihe an ihn kam, vom Konsul nach seiner Meinung
befragt, mit folgenden Worten:
51.
,,Alle Menschen, Senatoren und Beigeordnete, die Rat halten über eine
unsichere Lage, sollten Ziemlicherweise frei sein von Hass, Freundschaft, Zorn
und Mitleid. Nicht leicht sieht der Geist die Wahrheit, wo sie entgegenwirken,
und nie hat je einer der Leidenschaft zugleich und dem Nutzen gehorcht. Wofern
du den Geist anspannst, ist er stark; wenn ihn die Leidenschaft mit Beschlag
belegt hat, herrscht sie, und der Geist vermag nichts. Ich hätte reichlich
Stoff, Senatoren und Beigeordnete, zu erzählen, wie Könige und Völker aus
Zorn oder Mitleid schlechte Entschlüsse gefasst haben. Aber ich will lieber das
vortragen, wie unsere Vorfahren wider die Leidenschaft ihres Herzens richtig und
nach der Ordnung gehandelt haben. Im mazedonischen Krieg, den wir mit dem König
Perseus führten, war der große und reiche Staat der Rhodier, der durch die
Macht des römischen Volkes an Einfluss gewonnen hatte, treulos und arbeitete
gegen uns. Als aber nach Beendigung des Krieges über die Rhodier zu Rate
gegangen wurde, haben unsere Vorfahren, dass keiner sagen könne, der Krieg
wäre mehr ihres Reichtums als der Kränkung wegen begonnen worden, sie
unbestraft laufen lassen. Ebenso in allen Punischen Kriegen: obgleich die
Karthager mehrfach im Krieg und während der Waffenruhe viele ruchlose Taten
begingen, haben sie selbst doch niemals, bot sich die Gelegenheit, so etwas
getan; sie fragten mehr nach dem, was ihrer würdig sei, als was gegen jene mit
Recht unternommen werden könnte. Genauso müßt ihr darauf sehen, Senatoren und
Beigeordnete, dass bei euch das Verbrechen des Pubhus Lentulus und der übrigen
nicht eine größere Rolle spiele als eure Würde und ihr nicht mehr für euren
Zorn als für euren Ruf sorgt. Denn wenn eine entsprechende Strafe für ihre
Taten sich finden lässt, billige ich die neue Maßnahme; wenn aber die Größe
des Verbrechens die Vorstellung aller übersteigt, stimme ich dafür, sich
dessen zu bedienen, was durch das Gesetz bereitgestellt ist.
Die meisten derjenigen, die vor mir ihre Meinung ausgesprochen haben, haben in
wohlgesetzten und großen Worten das Unglück des Staates bejammert. Wie grausam
der Krieg ist, was den Besiegten trifft, haben sie aufgezählt: dass Mädchen,
Knaben geraubt, dass die Kinder aus den Armen der Eltern gerissen werden, dass
die Mütter der Familie erdulden müssen, was die Sieger gelüstet; dass Tempel
und Häuser geplündert werden, dass Mord und Brand herrscht, dass schließlich
alles von Waffen, Leichen, Blut und Trauer erfüllt ist. Aber, bei den
unsterblichen Göttern, was soll diese ganze Rede? Etwa euch gegen die
Verschwörung aufbringen?
Natürlich: wen eine so furchtbare und grässliche Sache nicht rührte, den wird
eine Rede entflammen. So ist es nicht! Und keinem unter den Menschen erscheint
erlittenes Unrecht klein, viele haben es schwerer genommen als billig. Aber
nicht allen ist das Gleiche erlaubt, Senatoren. Wenn diejenigen, die bescheiden
im Dunkel ihr Leben verbringen, im Zorn etwas begehen, wissen es wenige, ihr Ruf
und ihr Schicksal sind gleich; wer aber, mit großer Befehlsgewalt betraut, auf
den Höhen sein Leben führt, dessen Handlungen kennen alle Menschen. So wohnt
im größten Schicksal die geringste Freiheit; weder interessiert zu sein noch
zu hassen, aber am allerwenigsten in Zorn zu geraten ziemt sich; wenn bei
anderen von Jähzorn gesprochen wird, heißt das bei Herrschenden Überhebung
und Grausamkeit. Ich bin nun zwar folgender Meinung, Senatoren und Beigeordnete,
dass alle Martern geringer sind als deren Verbrechen. Aber die meisten Menschen
denken nur an das Letzte, und bei ruchlosen Menschen vergessen sie ihres
Verbrechens und halten sich nur über die Strafe auf, wenn sie ein wenig zu
streng gewesen ist.
Decimus Silanus, ein tapferer, tüchtiger Mann, hat, das weiß ich genau, was er
gesagt, aus Eifer für das Gemeinwesen gesagt, und in einer so wichtigen
Angelegenheit übte er nicht Begünstigung oder Feindschaften: so habe ich
Charakter, so Selbstbeherrschung des Mannes kennen gelernt. Wohl aber ist sein
Antrag, wie mir scheint, nicht grausam - denn was könnte gegen solche Menschen
Grausames geschehen-, aber unserem Staate nicht wesensgemäß. Denn fürwahr,
entweder die Furcht oder das Unrecht, Silanus, haben dich, den gewählten Konsul
des nächsten Jahres, gezwungen, für eine neuartige Strafart zu entscheiden.
Über die Furcht ist es überflüssig zu sprechen, zumal durch die Umsicht des
hochberühmten Mannes, unseres Konsuls, so gewaltige Schutzkräfte unter Waffen
stehen. Was die Strafe anlangt, kann ich wenigstens sagen, wie es sich auch
wirklich verhält, dass in Trübsal und Elend der Tod Erlösung vom Kummer,
nicht Strafe ist, dass er alles Leid der Sterblichen löst, dass jenseits kein
Raum für Sorge und Freude ist. Aber, bei den unsterblichen Göttern, weswegen
hast du deinem Antrag nicht beigefügt, dass sie vorher erst mit Auspeitschung
bestraft werden sollten? Etwa, weil es das Porcische Gesetz verbietet? Aber
andere Gesetze ordnen auch an, dass verurteilten Bürgern nicht das Leben
genommen, sondern dass ihnen die Verbannung freigestellt werde. Oder weil es
härter ist, ausgepeitscht als getötet zu werden? Was aber ist zu bitter oder
zu hart gegen Menschen, die einer solchen Untat überführt sind? Ist's aber aus
dem Grunde, weil es zu leicht ist, wie verträgt es sich, in der geringeren
Sache das Gesetz zu fürchten, während du es in der größeren nicht beachtest?
Aber wer wird denn tadeln, was gegen Hochverräter beschlossen wird? Umstände,
Zeit, Schicksal, dessen Willkür über die Völker herrscht! Diese wird verdient
treffen, was immer geschieht. Ihr aber, Senatoren und Beigeordnete, erwägt
wohl, was ihr damit auch gegen andere beschließt. Alle schlechten Richtlinien
sind einmal aus guten Anlässen entstanden. Sobald aber die Entscheidung an
Leute gekommen ist, die sie nicht kannten, oder zu weniger Guten, wird jene
neue Maßregel von Leuten, die es verdienen und wert sind,
auf Leute übertragen, die es nicht verdienen und es nicht wert sind. Die
Lazedämonier setzten nach Besiegung der Athener dreißig Männer über sie, die
ihren Staat lenken sollten. Die begannen zunächst, gerade die Schlechtesten und
allen Verhassten ohne Urteil hinzurichten; darüber freute sich das Volk und
sagte, es geschehe verdient. Danach, wie ihre Willkür allmählich wuchs,
brachten sie Gute und Schlechte, wie es sie gelüstete, nebeneinander um, die
übrigen hielten sie durch Furcht in Schrecken: so zahlte das Volk, in
Knechtschaft unterdrückt, für seine törichte Freude schwere Buße. Als zu
unseren Zeiten Sulla nach seinem Siege Damasipp und andere der Art, die durch
das Unglück des Staates emporgekommen waren, hinmorden ließ, wer lobte da
nicht seine Tat? Ruchlose und intrigante Menschen, die den Staat durch
Aufstände nicht hätten zur Ruhe kommen lassen, seien verdient getötet worden,
sagte man. Doch war das der Beginn eines großen Unheils. Denn wie es jeweils
einen nach dem Haus oder dem Landgut, schließlich nach Geschirr oder Kleidung
gleich wessen gelüstete, bemühte er sich, dass dieser in die Zahl der
Geächteten kam. So wurden jene, die sich über den Tod des Damasippus gefreut
hatten, wenig später selbst fortgeschleift, und nicht eher gab es ein Ende des
Mordens, bis Sulla alle seine Anhänger mit Reichtümern gesättigt hatte. Und
ich fürchte so etwas nicht bei Marcus Tulhus und nicht zur jetzigen Zeit, aber
in einem großen Staate gibt es viele und unterschiedliche Geister. Es kann zu
anderer Zeit, unter einem anderen Konsul, der ebenfalls ein Heer in der Hand
hat, etwas Falsches für Wahrheit genommen werden. Wofern nach diesem Beispiel
ein Konsul auf Senatsbeschluss das Schwert gezogen hat, wer wird ihm dann eine
Grenze setzen, wer wird ihn in Schranken halten?
Unseren Vorfahren, Senatoren und Beigeordnete, hat es nie an Einsicht und
Kühnheit gefehlt; es hinderte sie aber auch nicht ihr Stolz, fremde
Einrichtungen, wenn sie nur recht waren, nachzuahmen. Kriegsgerät und Waffen
übernahmen sie von den Samniten, die Abzeichen der Beamten zumeist von den
Etruskern; schließlich: wo etwas bei
Bundesgenossen oder Feinden geeignet schien, suchten sie es mit größtem Eifer
daheim durchzuführen; lieber nachahmen wollten sie die Tüchtigen als scheel
auf sie sehen. Indes, eben zu jener Zeit ahnten sie den Brauch von Griechenland
nach und ahndeten ihre Mitbürger mit Auspeitschung, an Verurteilten
vollstreckten sie die Todesstrafe. Als der Staat wuchs und infolge der großen
Masse der Bürger die Parteiungen an Macht gewannen, man anfing, Unschuldige zu
umgarnen, anderes derart zu begehen, da wurden das Porcische Gesetz und andere
Gesetze gegeben, Gesetze, nach denen den Verurteilten die Verbannung
freigestellt wurde. Ich halte diesen Grund, Senatoren und Beigeordnete,
insonderheit für entscheidend, dass wir keinen neuen Entschluss fassen.
Fürwahr Tüchtigkeit und Weisheit waren größer bei ihnen, die aus kleinen
Anfängen ein so großes Reich geschaffen haben, als bei uns, die wir das
tüchtig Erworbene mit Mühe nur behaupten.
Ich bin also dafür, dass sie entlassen werden und so das Heer Catilinas
vermehrt werde? Keineswegs! Aber ich meine so: ihr Vermögen ist einzuziehen,
sie selbst in den Landstädten, die besonders mächtig sind, in Haft zu halten,
und keiner soll hiernach über sie an den Senat berichten und mit dem Volke
verhandeln; verstößt jemand dagegen, ist der Senat der Ansicht, dass er gegen
den Staat und das Wohl der Allgemeinheit handeln wolle."
52.
Als Caesar seine Rede beendet hatte, stimmten die übrigen mit einem kurzen
Wort der eine diesem, der andere jenem in verschiedener Weise bei. Aber Marcus
Porcius, nach seiner Meinung befragt, hielt eine Rede folgenden Inhalts:
,,Zwiespältig, Senatoren und Beigeordnete, sind meine Empfindungen, wenn ich
die Lage und unsere Gefahren bedenke und wenn ich die Anträge einiger bei mir
selbst prüfe. Jene scheinen mir nur über die Bestrafung derjenigen gehandelt
zu haben, die gegen ihr Vaterland, ihre Eltern, ihre Altäre und Herde den Krieg
vorbereiteten; die Umstände aber mahnen eher, uns vor ihnen zu schützen, als
zu beraten, was wir gegen sie verfügen wollen. Denn die anderen Schandtaten
kannst du dann verfolgen, wenn sie geschehen sind; hierin, wenn du nicht
Vorsorge triffst, dass es nicht eintritt, dürftest du, ist es geschehen,
umsonst die Gerichte anrufen: ist die Stadt genommen, bleibt den Besiegten
nichts übrig. Aber, bei den unsterblichen Göttern, euch rufe ich auf, die ihr
immer eure Häuser, Landgüter, Statuen, Bilder höher gestellt habt als das
Gemeinwesen:
wenn ihr das, mag es sein, wie es wolle, woran ihr euch klammert, behaupten,
wenn ihr euren Liebhabereien Muße verschaffen wollt, wacht endlich einmal auf
und nehmt das Staatswesen in eure Hand! Es geht nicht um Steuern und Kränkungen
der Bundesgenossen: die Freiheit und unser Leben sind in Gefahr!
Zu häufigen Malen, Senatoren und Beigeordnete, habe ich lange Reden vor diesem
Stande gehalten, oft habe ich Klage geführt über die Verschwendungs- und
Habsucht unserer Mitbürger, und viele Menschen habe ich deswegen zu Feinden. Da
ich mir und meinem Willen nie ein Vergehen nachgesehen hatte, hielt ich nicht
leicht den Gelüsten des Mitbürgers Übeltaten zugute. Aber wenn ihr das auch
gering achtetet, so stand doch wenigstens der Staat fest, seine Machtfülle
konnte diese Geringschätzung ertragen. Jetzt aber handelt es sich nicht darum,
ob wir in gutem oder schlechtem sittlichem Zustand leben, nicht darum, wie groß
und wie stattlich das Reich des römischen Volkes sei, sondern darum, ob das
alles, wie es auch immer scheinen möge, uns gehöre oder samt uns eine Beute
der Feinde wird. Hier spricht mir einer von Milde und Mitleid? Schon längst
haben wir die wahren Bezeichnungen für die Wirklichkeit verloren!
Weil fremdes Gut verschenken Freigebigkeit, Verwegenheit in schlimmen Dingen
Tapferkeit heißt, deshalb steht der Staat am Abgrund. Mögen sie nur, da es ja
so Sitte ist, freigebig sein mit dem Vermögen der Bundesgenossen, mögen sie
Mitleid haben mit den Dieben der Staatskasse: dass sie nur nicht unser Blut
verschenken und, während sie wenige Verbrecher schonen, alle Anständigen
zugrunde richten!
Trefflich und wohlgesetzt hat Gaius Caesar kurz vorher vor diesem Stande über
Leben und Tod Betrachtungen angestellt, wohl, wie ich glaube, das, was von der
Unterwelt erzählt wird, für unwahr erachtend: dass die Bösen von den Guten
getrennt in verschiedenen Bezirken scheußliche, verwilderte, hässliche und
schreckliche Striche bewohnen. Deshalb stellte er den Antrag, ihr Geld
einzuziehen, sie selbst in den Landstädten in Haft zu halten. Natürlich aus
Furcht, wenn sie in Rom wären, könnten sie von den Verschwörergenossen oder
einer gemieteten Bande gewaltsam befreit werden. Gerade als ob es Böse und
Verbrecher nur in der Stadt und nicht durch ganz Italien hin gäbe oder die
Kühnheit nicht dort mehr vermöchte, wo die Macht zur Verteidigung geringer
ist! Darum ist dieser Plan fürwahr töricht, wenn er Gefahr von ihnen
fürchtet; wenn er aber bei einer so großen allgemeinen Besorgnis als einziger
nichts fürchtet, ist es um so wichtiger, dass ich für mich und euch fürchte.
Deshalb haltet es, wenn ihr über Pubhus Lentulus und die übrigen befindet,
für gewiss, dass ihr zugleich über das Heer Catilinas und alle Verschwörer
eure Entscheidung trefft! Je energischer ihr das betreibt, um so schwächer wird
deren Mut sein; wenn sie euch nur ein wenig schlaff sehen, werden alle mit
Wildheit nahen.
Glaubt nicht, dass unsere Vorfahren den Staat mit Waffengewalt aus einem kleinen
zu einem großen gemacht haben. Wenn es so wäre, so würden wir ihn bei weitem
im schönsten Stande haben; wo wir doch eine größere Fülle von Bundesgenossen
und Bürgern, zudem von Waffen und Rossen haben als sie. Sondern anderes ist es
gewesen, was jene groß machte, was wir nicht besitzen: daheim Tätigkeit,
draußen gerechte Herrschaft, ein Sinn, beim Beraten unabhängig und keinem
Vergehen und keiner Leidenschaft verfallen. Statt dessen haben wir
Verschwendungssucht und Habgier, im Staate Armut, zu Hause Üppigkeit. Wir loben
den Reichtum, hängen aber der Trägheit nach. Zwischen Guten und Schlechten ist
kein Unterschied, alle Belohnungen für Tüchtigkeit hat üble Ehrsucht in
Besitz. Und so ist es kein Wunder: da ihr jeder für seine eigenen Belange
gesondert eure Pläne faßt, da ihr daheim Sklaven eures Vergnügens, hier des
Geldes und eurer Verbindungen seid, daher kommt es, dass ein Angriff auf das
herrenlose Gemeinwesen gemacht werden kann.
Aber ich lasse das. Es haben sich hochadlige Mitbürger verschworen, die
Vaterstadt in Flammen aufgehen zu lassen; den Stamm der Gallier, den größten
Feind des römischen Namens, rufen sie zum Kriege herbei; der Führer der Feinde
ist mit einem Heer über euren Häuptern. Da zaudert ihr auch jetzt noch und
schwankt, was ihr mit Feinden, die ihr innerhalb der Mauern ergriffen habt,
machen sollt? Erbarmt euch, meine ich - vergangen haben sich junge Leute aus
Ehrgeiz! -, und entlasst sie, noch dazu bewaffnet! dass sich euch eure Milde und
euer Mitleid, wenn sie die Waffen ergriffen haben, nur nicht in Leid verwandelt!
Natürlich, die Sache an sich ist gefährlich, aber ihr fürchtet sie nicht.
Doch, sehr sogar! Aber aus Lässigkeit und Weichheit des Herzens wartet ihr
einer auf den anderen und zaudert, offenbar im Vertrauen auf die unsterblichen
Götter, die diesen Staat oft schon in den größten Gefahren bewahrt haben.
Nicht durch Gelübde und weibisches Flehen wird die Hilfe der Götter erworben;
wenn man wachsam ist, handelt, richtig zu Rate geht, geht alles günstig aus.
Wofern du dich der Trägheit und Feigheit überlässt, flehst du umsonst wohl
die Götter an: sie sind zornig und feindselig. Bei unseren Vorfahren ließ
Aulus Manhus Torquatus im Gallierkrieg seinen Sohn, weil der wider den Befehl
gegen den Feind gekämpft hatte, töten, und jener außerordentliche Jüngling
büßte für seine unbeherrschte Tapferkeit mit dem Tode; ihr zaudert, was ihr
über die grausamsten Hochverräter verhängen sollt?
Offenbar steht ihr früheres Leben im Widerspruch zu diesem Verbrechen. Aber:
schont die Würde des Lentulus, wenn er selbst je seine Reinheit, seinen Ruf,
wenn er je Götter oder Menschen schonte. Verzeihet der Jugend des Cethegus,
wenn er nicht zum zweitenmal dem Vaterland den Krieg bereitete! Denn was soll
ich über Gabinius, Statihus, Caeparius reden? Wenn ihnen je etwas von Belang
gewesen wäre, hätten sie nicht diese Pläne gegen den Staat gehabt! Endlich,
Senatoren und Beigeordnete: bei Gott, wenn noch die Zeit wäre für einen
Fehler, würde ich leicht zulassen, dass ihr durch die Sache selbst belehrt
werdet, da ihr Worte ja gering schätzt. Aber wir sind von allen Seiten
umstellt. Catilina sitzt uns mit einem Heer an der Kehle. Andere Feinde sind
innerhalb der Mauern und im Herzen der Stadt; im stillen lässt sich nichts
dagegen rüsten und beraten. Um so mehr muss man eilen.
Deshalb meine ich so: da durch den ruchlosen Plan verbrecherischer Bürger der
Staat in größte Gefahren gekommen ist und diese durch die Anzeige des Titus
Volturcius und der Gesandten der Albbroger überführt und geständig sind,
Mord, Brand und andere scheußliche und grausame Taten gegen ihre Mitbürger und
das Vaterland vorbereitet zu haben, ist an den Geständigen wie an überwiesenen
Schwerverbrechern nach der Sitte der Vorfahren die Todesstrafe zu
vollstrecken."
53.
Als sich Cato gesetzt hatte, loben alle Konsulare und ebenso ein großer
Teil des Senates seinen Vorschlag, heben sie die Mannhaftigkeit seines Geistes
in den Himmel, einer schilt auf den anderen und heißt ihn ängstlich. Cato gilt
als herrlich und groß. Der Senatsbeschluss wird gefasst, wie jener beantragt
hatte.
Mir aber, der ich vieles las, vieles hörte, was das römische Volk daheim und
im Kriege, zu Wasser und zu Lande für glänzende Taten vollbracht hat, kam es
einmal an, darauf zu achten, was wohl am meisten solche großen Unternehmen
bewältigt hätte. Ich wusste, dass es häufig mit einer kleinen Schar gegen
gewaltige Massen der Feinde gefochten hatte; ich erkannte, dass mit geringen
Kräften gegen mächtige Könige Krieg geführt worden war; dazu, dass es
häufig den Ansturm des Schicksals ertragen hatte; dass an Beredsamkeit die
Griechen, an Kriegsruhm die Gallier die Römer übertroffen hatten. Und nach
vielen Überlegungen festigte sich mir die Meinung, dass die ungewöhnliche
Tatkraft weniger Bürger alles zustande gebracht hat und dass es darum geschah, dass
Armut den Reichtum, geringe Zahl die Masse überwand. Nachdem aber das Volk
durch Üppigkeit und Schlaffheit verdorben worden war, hielt wiederum der Staat
durch seine Größe den Fehlern der Heerführer und Beamten stand. Und wie wenn
die Gebärkraft erschöpft gewesen wäre, war in langen Zeiten keiner in Rom
groß durch Tatkraft. Zu meinen Lebzeiten aber waren von ungeheurer Tatkraft,
aber verschiedener Art zwei Männer, Marcus Cato und Gaius Caesar. Da der
Zusammenhang sie uns in den Weg führte, habe ich nicht die Absicht, ruhig
vorbeizugehen, ohne ihre Natur und ihren Charakter, soweit ich es mit meinen
Fähigkeiten vermag, zu enthüllen.
54.
Nun, ihre Herkunft, ihr Alter, ihre Beredsamkeit waren fast gleichrangig,
die Großheit des Geistes dieselbe, ebenso der Ruhm, aber jedem in anderer
Weise. Caesar galt als groß infolge seiner Spenden und Freigebigkeit, Cato
wegen der Unbescholtenheit seines Lebens. Jener wurde durch Milde und Mitleid
berühmt, diesem hatte die Strenge Würde verliehen. Caesar erlangte Ruhm durch
Geben, Helfen, Verzeihen; Cato durch Kargheit. In dem einen fanden die
Unglücklichen ihre Zuflucht, in dem anderen die Bösen ihr Verderben. An jenem
wurde seine Leutseligkeit, an diesem seine Beherrschung gelobt. Endlich hatte es
Caesar sich zum Grundsatz gemacht, tätig und wachsam zu sein, um die Geschäfte
der Freunde bemüht die eigenen hintanzusetzen, nichts abzuschlagen, was eines
Geschenkes würdig wäre;
für sich wünschte er große Macht, ein Heer, einen neuen Krieg, wo seine
Tatkraft aufstrahlen könnte. Cato aber richtete sein Streben auf Maßhalten,
Anständigkeit, ganz besonders aber auf Strenge; mit dem Reichen wetteiferte er
nicht um Reichtum und nicht mit dem Parteimann in Machtkämpfen, sondern mit dem
Wackeren um Manneswert, mit dem Maßvollen um Zucht, mit dem Unbescholtenen um
Selbstlosigkeit; er wollte lieber gut sein als scheinen. Je weniger er daher den
Ruhm suchte, um so mehr folgte er ihm.
55.
Nachdem, wie ich sagte, der Senat für den Antrag Catos gestimmt hatte,
hält es der Konsul für besonders tunlich, der Nacht, die bevorstand,
zuvorzukommen, dass in diesem Zeitraum nichts unternommen würde, und heißt die
Dreimänner, was für die Hinrichtung gefordert war, vorbereiten. Er selbst
verteilt Posten und geleitet Lentulus in den Kerker; dasselbe geschieht mit den
übrigen durch die Prätoren.
Im Gefängnis gibt es einen Raum, Tullianum geheißen, wenn man ein wenig zur
Linken emporsteigt, ungefähr zwölf Fuß unter der Erde. Ihn verwahren rings
Mauern und darüber ein Gewölbe, das von Steinbögen gehalten ist. Durch
Verwahrlosung, Finsternis, Geruch aber ist sein Aussehen scheußlich und grässlich.
Nachdem Lentulus in diesen Raum herabgelassen worden war, brachen die Henker,
denen es befohlen war, ihm mit dem Strang den Hals. So fand jener Patrizier aus
dem hochberühmten Geschlecht der Cornelier, der in Rom die Stellung des Konsuls
innegehabt hatte, ein seines Charakters und seiner Taten würdiges Ende. An
Cethegus, Statihus, Gabinius, Caeparius wurde auf gleiche Weise die Todesstrafe
vollstreckt.
56.
Während dieses sich in Rom ereignete, stellt Catilina aus der gesamten
Truppenmasse, die er selbst mitgebracht und die Manhus schon gehabt hatte, zwei
Legionen zusammen und füllt die Kohorten entsprechend der Zahl seiner Soldaten
auf. Danach hatte er, wie jeweils Freiwillige oder welche von den Anhängern ins
Lager gestoßen waren, sie gleichmäßig verteilt und in kurzer Zeit die
Legionen zahlenmäßig aufgefüllt, während er anfangs nicht mehr als 2000 Mann
gehabt hatte. Indes, von der ganzen Menge war nur ungefähr ein Viertel mit
vorschriftsmäßigen Waffen versehen; die übrigen trugen, wie der Zufall jeden
bewaffnet hatte, Speere oder Lanzen, andere auch angespitzte Pfähle. Als aber
Antonius mit seinem Heere heranrückte, nahm Catilina seinen Marsch durch die
Berge, verschob sein Lager bald auf Rom zu, bald gegen Gallien hin, gab den
Feinden nicht die Gelegenheit zum Kampfe. Er hoffte, nächstens gewaltige
Truppenmassen zu haben, wenn in Rom seine Genossen ihr Beginnen ausgeführt
hätten. Derweil wies er die Sklaven zurück, wovon ihm anfangs große Scharen
zuströmten, im Vertrauen auf die Machtmittel der Verschwörung und zugleich in
der Ansicht, es scheine seinen Plänen abträglich, die Sache der Bürger mit
entlaufenen Sklaven geteilt zu haben.
57.
Als indes ins Lager die Botschaft kam, in Rom sei die Verschwörung
entdeckt, an Lentulus und Cethegus und den anderen, die ich oben erwähnt, sei
die Todesstrafe vollstreckt worden, da verlaufen sich die meisten, die Hoffnung
auf Rauh oder Lust an Umsturz zum Krieg verlockt hatten. Den Rest führt
Catilina durch raues Gebirge in Eilmärschen weg ins Gebiet von Pistoria in der
Absicht, auf Schleichwegen heimlich nach dem jenseitigen Gallien zu entkommen.
Aber Quintus Metellus Celer hatte mit drei Legionen im Gebiet von Picenum Posten
bezogen, weil er in Betracht der schwierigen Lage rechnete, Catilina habe gerade
das vor, was wir eben ausgeführt.
Sobald er also durch Überläufer seine Marschrichtung in Erfahrung gebracht
hatte, brach er eilends auf und bezog Stellung direkt am Fuß des Gebirges, wo
dieser, wenn er nach Gallien wollte, herabsteigen musste. Jedoch war auch
Antonius nicht weit weg, da er ihm mit einem großen Heere auf ebeneren Wegen
kampffertig auf der Flucht nachsetzte. Als Catilina indes sieht, dass er durch
das Gebirge und die Truppen der Feinde eingeschlossen ist, dass in Rom die Lage
sich gegen ihn gewendet hat, keine Hoffnung auf Flucht oder Hilfe besteht, hält
er es für das beste, das Kriegsglück zu erproben, und beschließt, sich sobald
wie möglich mit Antonius zu schlagen. Daher versammelte er sein Heer und hielt
eine Rede folgenden Inhalts:
58.
"Ich habe gehört, Soldaten, dass Worte nicht Tapferkeit verleihen
können und dass aus einem schwächlichen Heer ein tüchtiges, ein tapferes aus
einem ängstlichen durch die Rede des Feldherrn nicht werden kann. Wie viel
Kühnheit in jedem von Natur oder Sitte ruht, so viel pflegt sich auch im Krieg
zu zeigen. Wen Ruhm und Gefahren nicht reizen, den dürfte man vergeblich
anfeuern: die innere Angst verstopft das Ohr. Ich habe euch aber
zusammengerufen, um euch auf einiges aufmerksam zu machen, zugleich um euch die
Begründung für meinen Entschluss zu nennen.
Ihr wisst, Soldaten, was für Schaden die Fahrlässigkeit und Feigheit des
Lentulus ihm selbst und uns gebracht hat und wie ich, da ich die Verstärkung
aus der Stadt erwartete, nicht habe nach Gallien aufbrechen können. In welcher
Lage wir uns jetzt befinden, versteht ihr alle so gut wie ich. Zwei feindliche
Heere, eines in Richtung der Stadt, das andere aus Gallien stehen uns
gegenüber; uns länger in dieser Gegend festzuhalten, wenn mich auch in
besonderem Maße der Sinn triebe, verbietet der Mangel an Getreide und anderen
Dingen; wohin es auch immer zu gehen gefällt, der Weg ist mit dem Schwert zu
öffnen (wir müssen uns den Weg mit dem Schwert bahnen). Deshalb erinnere ich
euch, tapferen und entschlossenen Sinnes zu sein und, wenn ihr in den Kampf
geht, nicht zu vergessen, dass ihr Reichtum, Ehre, Ruhm, außerdem Freiheit und
das Vaterland in eurer Rechten tragt. Wenn wir siegen, ist uns alles gerettet:
Verpflegung im Überfluss, Landstädte und Kolonien werden uns offen stehen;
wenn wir aus Angst (zurück-) weichen, wird das gleiche uns verschlossen sein,
kein Ort, kein Freund wird irgendeinen schützen, den die Waffen nicht
geschützt hätten. Außerdem, Soldaten, nicht die gleiche Not droht uns und
ihnen: wir streiten für das Vaterland, für die Freiheit, für das Leben; jenen
scheint es (sehr) überflüssig zu sein, für die Macht zu kämpfen.
Greift sie um so kühner an, in Erinnerung an eure altbewährte Tapferkeit. Es
wäre euch möglich gewesen, in höchster Schande in der Verbannung euer Leben
zu verbringen, ihr hättet zum Teil nach Verlust eurer Güter in Rom auf fremde
(Werke) Macht hoffen können; weil das hässlich und unerträglich für die
Männer schien, habt ihr beschlossen diesem Weg zu folgen. Wenn ihr diesen
wieder verlassen wollt, ist Kühnheit nötig: niemand wenn nicht der Sieger hat
Krieg in Frieden eingetauscht. Denn in der Flucht das Heil zu erhoffen, wenn man
die Waffen, die den Körper bedecken, von den Feinden abgewendet hat, dies wäre
(ist) Wahnsinn. Im Kampf sind immer diese in höchster Gefahr, die sich an
meisten fürchten; Kühnheit gilt wie eine Mauer.
Wenn ich euch ansehe, Soldaten, und wenn ich eure Taten erwäge, erfüllt mich
große Hoffnung auf Sieg. Euer Mut, Alter, eure Tapferkeit ermutigt mich,
außerdem die Not, die auch ängstliche Tapfer macht. Denn dass die Übermacht
der Feinde uns nicht umzingeln kann, verhindert die Enge des Ortes. Wenn aber
das Schicksal eurer Tapferkeit den Sieg missgönnt, hütet euch, euch hinzugeben
und euch abschlachten zu lassen wie die Tiere und euch gefangen nehmen zu
lassen, ohne Rache genommen zu haben, statt nach Männerart zu kämpfen und dem
Feind nur einen blutigen und leidvollen Sieg zu überlassen."
59.
Als er dies gesagt hatte, hält er ein Weilchen inne, lässt dann die
Signale blasen und führt die Reihen geordnet in die Ebene herab. Darauf lässt
er aller Pferde beiseite bringen, auf dass die Soldaten, nachdem so die Gefahr
gleich verteilt war, größeren Mut hätten; selbst zu Fuß, lässt er das Heer
dem Gelände und ihrer Stärke entsprechend sich aufstellen. Denn wo eine Ebene
sich zwischen dem Gebirge zur Linken und einem schroffen Felsen zur Rechten
erstreckte, stellt er acht Kohorten in die vordere Reihe, die Feldzeichen der
übrigen stellt er in der Reserve enger zusammen. Aus ihnen führt er alle
Centurionen, auserlesene altgediente Leute, außerdem von den gemeinen Soldaten
die besten, die ordnungsgemäß bewaffnet waren, heraus in das vordere Treffen.
Gaius Manhus heißt er auf dem rechten, einen Mann aus Faesulae auf dem linken
Flügel den Befehl zu führen. Selber stellt er sich mit seinen Freigelassenen
und den Siedlern neben dem Adler auf, den Gaius Manus im Cimbernkrieg in seinem
Heer mitgeführt hatte, wie es hieß.
Auf der Gegenseite jedoch überlässt Gaius Antonius, weil er fußkrank dem
Kampfe nicht beiwohnen konnte, dem Legaten Marcus Petreius das Heer. Dieser
stellt die altgedienten Kohorten, die er des Aufstandes wegen aufgeboten hatte,
in die erste Reihe, hinter ihnen das übrige Heer in Reserve. Selber reitet er
umher, nennt einen jeden beim Namen, spricht sie an, ermutigt sie, bittet sie,
daran zu denken, dass sie gegen unbewaffnetes Raubgesindel für Vaterland, für
ihre Kinder, für Altäre und Herde stritten. Als alter Soldat kannte er, weil
er mehr als dreißig Jahre als Tribun, Präfekt, Legat und Prätor mit großem
Ruhm im Heer gedient hatte, die meisten selber und ihre Heldentaten. Durch die
Erinnerung an sie entflammt er den Mut der Soldaten.
60.
Petreius lässt nach erfolgter Aufklärung mit der Tuba das Signal geben und
die Kohorten allmählich vorrücken. Dasselbe tut das Heer der Feinde. Nachdem
man so weit gekommen war, dass der Kampf von den Schützen begonnen werden
konnte, stürzen sie unter großem Geschrei mit entgegenstürmenden Feldzeichen
aufeinander los, sie lassen die Wurfspieße, der Kampf wird mit den Schwertern
ausgefochten. Die Veteranen, ihrer alten Tapferkeit eingedenk,
dringen im Nahkampf hitzig vor, jene leisten mutig Widerstand, mit größter
Kraft wird gestritten. Währenddessen schlägt sich Catilina mit einer
leichtbeweglichen Schar im ersten Treffen, kommt in Bedrängnis zu Hilfe, ruft
frische Kräfte statt der verwundeten herbei, trifft gegen alles
Vorsichtsmaßregeln, kämpft viel selbst, trifft häufig den Feind: er
verrichtete zugleich die Aufgaben eines tüchtigen Soldaten und eines guten
Feldherrn. Da Petreius sieht, dass Catilina, anders als erwartet, mit aller
Kraft kämpft, führt er die Leibgarde mitten in die Feinde hinein und macht sie
nieder, während sie in Verwirrung sind und der eine hier, der andere dort
Widerstand zu leisten versucht. Darauf greift er die übrigen auf beiden Seiten
von der Flanke her an. Manhus und der Mann aus Faesulae fallen kämpfend unter
den ersten. Als Catilina sieht, dass seine Gruppen geworfen sind und er mit
wenigen übrig ist, stürzt er sich eingedenk seiner Herkunft und seiner
früheren Stellung mitten in das dichteste Getümmel der Feinde und wird dort
kämpfend durchbohrt.
61.
Indes, nachdem der Kampf vollendet war, da erst hättest du sehen können,
welche Kühnheit und welche Willenskraft im Heere Catilinas geherrscht hatten.
Denn welchen Platz ein jeder lebend im Kampfe sich gewählt hatte, den deckte er
fast durchweg nach Verlust des Lebens mit seinem Leibe. Wenige aber, die in der
Mitte die Schutzkohorte auseinandergesprengt hatte, waren etwas zerstreuter,
aber doch alle mit Wunden in der Brust gefallen.
Catilina vollends wurde weit von den Seinen entfernt zwischen Leichen von
Feinden aufgefunden, noch ein wenig atmend und den Trotz seines Geistes, den er
lebend gehabt hatte, noch im Ausdruck bewahrend. Endlich wurde von der ganzen
Masse weder im Kampf noch auf der Flucht ein freigeborener Bürger
gefangengenommen: so hatten alle ihr Leben so wenig wie das der Feinde geschont.
Jedoch auch das Heer des römischen Volkes hatte keinen frohen und unblutigen
Sieg errungen. Denn die Tüchtigsten waren im Kampf gefallen oder waren schwer
verwundet aus dem Kampfe hervorgegangen. Viele aber, die aus dem Lager aus
Neugier oder der Beute wegen herausgekommen waren, drehten die Leichen der
Feinde herum und fanden so manche einen Freund, ein Teil einen Bekannten oder
Verwandten. Es gab auch welche, die ihre Feinde erkannten. So herrschte durch
das ganze Heer hin wechselnd Freude, Trauer, Jammern und Ausgelassenheit.
CAESAR VII 20,3
- 20,5 ) ( ÜBERSETZUNG )
[3]
Auf solche Weise angeklagt antwortete er darauf, daß er das Lager verlegt
hatte, so sei es geschehen, durch Mangel an Getreide, während sie selbst sogar
aufforderte, was das anbetrifft, daß er sich näher zu den Römern bewegt
hätte, sei er durch die günstige Lage des Ortes verleitet worden, der sich
ohne Befestigung verteidigte.
[4]
Die Hilfe der Reiter hätte man gerade in diesem sumpfigem Gebiet vermissen
können und sie sei dort nützlich gewesen, wohin sie aufgebrochen seien. Er
habe den Oberbefehl absichtlich niemandem gegeben, als er wegging, damit dieser
sich nicht durch den Eifer der Menge zum kämpfen verleiten lassen würde.
CAESAR VII 20,5
- 21 ) ( ÜBERSETZUNG )
[5]
Er sehe, dass sich alle darum
bemühten, wegen des Mangels an Ausdauer, weil die nicht länger die Mühe
ertragen könnten.
[6]
Wenn die Römer zufällig
erschienen sein sollten, müsse man dem Glück danken, wenn sie aber durch
Verrat, von irgendjemandem gerufen erschienen sein sollten diesem, danken, dass
sie deren geringe Anzahl von einem höheren Ort hätten erkennen und deren
Tapferkeit hätten verachten können, die sich ohne es zu wagen zu kämpfen,
schimpflich ins Lager zurückgezogen hätten.
[7]
Er begehre keine oberste
Gewalt von Caesar durch Verrat, die er durch Sieg haben könne, der schon für
ihn ( selbst ) und alle Gallier ausgemacht sei;
er werde ihnen die oberste Gewalt zurückgeben, wenn sie glaubten, dass sie ihm
mehr Ehre zuerteilen, als von ihm Rettung zu erhalten.
[8]
Er sagte: " Hört
die römischen Soldaten an, damit ihr einseht, dass sie aufrichtig von mir
berichtet wurden.
[9]
Er führte die Sklaven vor, die er vor wenigen Tagen beim Futterholen
ergriffen hatte und durch Hunger und Fesseln gemartert hatte.
[10]
Diese sagten, schon vorher genau belehrt, was sie, befragt, berichten
sollten, dass sie Legionssoldaten seinen. Sie hätten, durch Hunger und Mangel
verleitet das Lager verlassen, ob sie auf den Feldern irgendetwas an Getreide
oder Vieh finden könnten.
[11]
Durch ähnlichen Mangel werde das ganze Heer bedrängt und es würden weder
die Kräfte von irgendjemand ausreichen, noch könne irgendjemand die Mühe der
Arbeit ertragen. Daher habe der Feldherr beschlossen, in drei Tagen das Heer
wegzuführen, wenn er bei der Belagerung der Stadt ausgerichtet habe. (
ausrichte )
[12]
Vercingetorix sagte: " Dies habt ihr von mir, den ihr des Verrates
beschuldigt als Wohltaten; ihr seht, dass durch dessen Bemühung ohne euer Blut
ein so großes, siegreiches, Heer durch Hunger fast aufgerieben ( worden ) ist;
es ist von mir dafür gesorgt worden, dass nicht irgendeine Bürgerschaft es,
wenn es sich schändlich bei der Flucht zurückzieht, in sein Gebiet aufnimmt. |